Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Disko? Hattest du Spaß?«, fragte sie und nahm einen Schluck.
Er setzte sich dazu und sie unterhielten sich noch eine Weile. Dann blies die Mutter die Kerzen aus und schlug vor, sich schlafen zu legen.
»Stört es dich, wenn ich noch dusche?!«
»Nein, nein. Mach nur.« Sie lächelte und räumte die Tarot-Karten auf.
Es war nach eins, als er frisch geduscht in sein Bett kroch. Er dachte vorm Schlafen an seinen Onkel Peter, obwohl er das vermeiden wollte, wegen der daraus resultierenden Albträume. Sebastian konnte selbst nach gut zwei Monaten noch immer den Knall der Haustür hören, die Peter hinter sich ins Schloss warf, und das Quietschen durchdrehender Reifen seines herumschlingernden Golfes auf Glatteis in der Hofeinfahrt. Sebastians Mutter hatte ihn für eine Sache beschuldigt, bei der sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dass es ein Missverständnis war. Minuten später hing Peters alter Golf zerdrückt am Brückenpfeiler. Blut am Beton. Er lag leblos im Graben, sein Kopf zur Hälfte zertrümmert, ein abgetrennter Arm hing in der Hecke. Die Blaulichter der Polizeiautos flohen immer wieder über blutigen Matsch, die fassungslosen Gesichter der Feuerwehrmänner und die zerborstenen Fensterscheiben. Die Szene¬rie berieselt von Schneeflocken.
Sebastian konnte gut verstehen, dass sich seine Mutter die Schuld an Peters Tod gab. Ohne den Streit wäre er im tiefsten Winter sicher nicht nach Hause gerast. Sebastian nahm sich vor, morgen zu googeln, wie er seiner Mutter am besten helfen konnte, um die Schuldgefühle loszube¬kommen. Im Internet gab es sicherlich ein paar gute Ratschläge diesbe¬züglich. Mit dieser Idee schlief er ein.
Dass er darauf nicht schon eher gekommen war. Den Geist von Peter zu beschwören, das war die Lösung. Allerdings war es schwierig, eine wirklich gute Anleitung im Internet zu finden. Sobald man auf das Thema stieß, las man nur Warnungen. Auf irgendeiner Satansseite fand er eine knappe Anweisung, die ihm brauchbar schien. Er druckte sie sich mit mulmigem Gefühl aus, die zahlreichen Warnungen hatten ihn ziemlich verunsichert. Aber es fühlte sich einfach nach der besten Lösung an. So konnte seine Mutter noch einmal mit Peter in Kontakt treten, sich zumindest entschuldigen und vielleicht so zu ihrem Seelen¬frieden finden.
»Sebastian! Aufstehen!«, rief Mutter durch die Tür und klopfte an.
»Ich bin schon wach.« Der Drucker fing zu rattern an.
»Frühstück ist fertig, kommst du bitte?«
»Ja, gleich.« Sebastian nahm den Zettel mit der Anleitung zur Hand und ging die Utensilien durch, die er brauchte. Kerzenlichter und Kreide waren kein Problem. Das Blut würde er sich vom Metzger aus dem Nachbarsdorf besorgen, Weihrauch wäre auf die Schnelle aber nur schwer zu beschaffen. Und er wollte keine Zeit vergeuden.
Nach dem Frühstück verabschiedete er sich von seiner Mutter. Er schnappte sich einen Behälter in der Garage und fuhr mit dem Mofa zum Nachbarsdorf. Sebastian hatte Glück, der Metzger schlachtete an dem Tag ein paar Schweine, und er glaubte ihm, dass Sebastian das Blut für einen sozialkritischen Film benötigte, den er und seine Kumpels drehen wollten.
Auf dem Weg nach Hause fiel ihm die leer stehende Scheune der Erhardts ein. Auf dem Dachboden fand er tatsächlich einen passenden Platz für die Geisterbeschwörung. Hier konnte er in Ruhe alles vorbereiten und er war damit den halben Nachmittag beschäftigt.
***
Nachts erhellten nur ein paar Laternen die einzige Straße des Dorfes, die stets von dreckigen Traktorspuren gezeichnet war. In den Nachbar¬häusern brannte kein Licht mehr, als er sich mit seiner Mutter auf den Weg machte.
»Weißt du, wie spät es ist?«, murmelte sie, während sie ihm fröstelnd folgte. Nur widerwillig hatte er sie dazu gebracht, ihm zu folgen. »Was willst du mir denn eigentlich zeigen?«
»Warts ab!« Sie gingen einen Feldweg entlang, der zu der Scheune führte.
»Mensch Basti, lass uns wieder umdrehen. Mir ist kalt.«
»Mama! Du hast es versprochen. Also komm. Wir sind gleich da.«
Ein bisschen mulmig war ihm schon zumute. In der Dunkelheit wirkte die Scheune wie ein großes, schlafendes Tier, das den Wald bewachte. Ein eisiger Wind strich vorüber und wisperte in den Wipfeln der Bäume und er redete sich ein, dass das alles ganz harmlos war. Eine gefrorene Pfütze knackte unter seinen Füßen, aus dem Dorf hörte man das Muhen einer Kuh, dann hatte er die Eingangstür mit den morschen Brettern
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