Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
er musste einfach Gewissheit ha¬ben. Es klingelte, ein gutes Zeichen. Nach dem fünften Klingeln ging sie ran und meldete sich mit verschlafener Stimme.
»Ja, hallo, ich bin’s.«
»Hi Sebi«, murmelte sie.
»Wie geht’s dir?«
»Ich bin müde.«
»Hm. Ja, ich will dich auch nicht lange stören. Ich wollte nur wissen … naja.« Er hatte den Griff der Wohnungstür in der Hand, ließ aber wieder los.
»Ach Sebi. Lass uns nachher sprechen. Ich bin wirklich müde.«
»Ja, ist gut.« Es war ein Fehler, bei ihr angerufen zu haben. »Dann schlaf dich aus.«
»Tschüss!«, sagte sie und legte auf. Er lauschte noch eine Weile dem Piepton und fragte sich, ob ihm das unangenehme Gefühl der Ungewiss¬heit nicht lieber gewesen wäre als der Gedanke, sie jetzt genervt zu haben.
Er ging zur Bar Celona, um die Rechnung zu bezahlen. Der Kellner spürte, dass sich Sebastian ein bisschen für sein Vergehen schämte, weil er sich einige Male entschuldigte und ihm versicherte, dass das keine Absicht war. »Das glaube ich Ihnen, ansonsten hätten Sie sich ja nicht von sich aus gemeldet.«
»Ist mir wirklich noch nie passiert.«
Der Kellner lächelte. »Kann ja mal passieren«, sagte er und schob das Geld in seine Tasche. Da Sebastian nichts weiter vorhatte, ihm der Magen knurrte und er sich sammeln wollte, entschloss er sich, hier zu frühstücken. Er bestellte das »Grande« und setzte sich an einen Tisch, der in der Ecke stand.
Nachdem der Kellner das Frühstück aufgetragen hatte, hielt Sebastian ihm gleich das Geld plus ein sattes Trinkgeld hin. Der fand das anscheinend amüsant, aber Sebastian wollte einer weiteren Peinlichkeit nur vorbeugen. In seinem Leben passierten gerade Dinge, die er momentan nicht unter Kontrolle hatte, die er sich nicht erklären konnte.
Während er an einem Croissant knabberte, ging er all das durch, was sich seit zwei Tagen abgespielt hatte und ihm gefiel es langsam, der Zukunft ein Schnippchen zu schlagen. Es war etwas unberechenbar, schließlich kamen diese Vorhersagen willkürlich. Es wäre leichter, könnte er das steuern und voraussehen, was in einer Stunde passieren würde, in einer Woche, übernächstes Jahr. Aber vielleicht musste er diese Rolle einfach nur so annehmen, wie sie kam. Es fühlte sich so oder so gut an. Ein Gefühl, das er lange nicht kannte. Ihm war da etwas in den Schoß gefallen, ein Geschenk, und er prüfte es, ob ihm das einen Sinn im Leben gab, dachte er und nahm einen Schluck des Kaffees. Er schaute sich um. Zwei Tische weiter saßen zwei junge hübsche Frauen. Sie erzählten sich etwas von einer Party und lachten dabei. Eine ältere Dame saß still vor ihrem roten Tee und grübelte. Womöglich über ihr Leben? Der Kellner polierte Gläser und ein hoch aufgeschossener Mann kam ins Lokal und setzte sich an die Bar. Diese Menschen hatten alle eine Zukunft und vielleicht, irgendwann, sah Sebastian bei denen etwas voraus, das sie ins Unglück stürzen könnte. Ihm hätten sie es dann zu verdanken, würde er das verhindern. Er lächelte. Ein Lächeln, das sein Herz erreichte. Trotz seines Kummers in der Liebe war ihm das eine Freude. Er schloss die Augen und ließ seine Gedanken rollen. Erneut sah er das Gothic-Girlie mit diesem Teufel-Tattoo am Hals. Wieder hörte er eine Frau zu ihrem Kind sprechen und das Knirschen von Kies unter deren Schuhen. »Oh je. Ich glaub, ich hab den Lottoschein bei der Oma vergessen.«
»Müssen wir wieder zurück?«, fragte das Mädchen.
»Hm, ja, ist wichtig«, entgegnete die Frau. »Komm!«
Das Gothic-Girlie zog eine Pistole aus der Tasche, trat hinter der Gassenmauer hervor und feuerte zwei Schüsse ab.
Sebastian schreckte aus diesen Gedanken, weil ihn der Kellner fragte, ob er noch etwas wünsche. Er stand vor ihm und räumte die leeren Teller ab.
»Nein, nein. Passt alles. Ich muss los.«
Sebastian trank den Kaffee und machte sich auf den Weg nach Hause.
***
Auf dem Weg zur Haustür genoss er die frühlingshaften Sonnenstrahlen. Ihm war leicht ums Herz, weil er das Gefühl hatte, er könnte eine bedeutende Rolle in diesem Leben und für das Leben vieler anderer spielen. Vielleicht sah er einen Bombenanschlag auf dem Nürnberger Hauptbahnhof voraus und könnte den Tod vieler Menschen verhindern. Oder er sah tatsächlich mal die Lottozahlen voraus und könnte mit dem Geld sich und anderen so viel Gutes tun und für Maurice ein besonders teures Geschenk kaufen. Hoffentlich kam Sebastian noch dahinter, wer
Weitere Kostenlose Bücher