Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
gezogen hatte, saß Petr am Tisch vor dem Milchkaffee und sah hinüber zu dem Eierbecher auf der Abtropfablage. Schöne Gefühle schmetterlingten durch seinen Bauch und er wäre Magdalena am liebsten nachgegangen, um sie zum Bleiben zu überreden. Er war nicht chancenlos bei ihr und das musste er Vlado erzählen.
Auf dem Hof wurde ein Auto abgestellt, eine Tür zugeschlagen. Er sah aus dem Fenster. Papa schloss seinen geliebten Mercedes ab, in der anderen Hand hielt er eine Tüte mit Brötchen. Schnell hüpfte Petr aus der Küche in den Flur und hielt ihm lächelnd die Haustür auf.
»Du scheinst ja guter Laune zu sein. Dann kannst du mir gleich mit dem Frühstück helfen. Zwei knackige Siebzigjährige haben sich gestern Abend noch ein Zimmer genommen.«
»Ach Paps, ich will dich nicht beim Flirten stören«, redete Petr sich heraus und ließ die Tür zufallen.
Papa lachte und schlenderte die Treppen zum Gästeraum hoch. »Bring mir wenigstens die Kaffeefilter aus der Küche, oben sind sie alle.«
»Ja, gleich.« Petr stellte sich vor die Kommode mit dem Telefon und rieb sich die Finger.
»Petr, du bist ein Gigolo, ein Frauenschwarm«, sagte er zu sich selbst und wählte Vlados Nummer. »Ein Don Juan, die Reinkarnation von Marlon Brando. All das!« Er musste über sich lachen, er war nun ein Macho-Mops.
»Ja? Hallo?«
»Hallo Vlado. Frauenversteher Petr Kuklov am Apparat.«
»Was gibt’s? Bin in Eile, muss noch packen.«
»Tja.« Er präsentierte das Wort regelrecht.
»Du hast etwas herausbekommen?«
Petr stockte. Er wollte erzählen, dass Magdalena an ihm interessiert war, an ihm, dem Taugenichts. Dass sie das beim Italiener gar nicht so gemeint und ihn nur aus verletzter Eitelkeit angegriffen hatte. Er wollte von der Nacht erzählen und dem Spaß, den er mit ihr gehabt hatte. Über Alena wollte er nicht reden. Zwar hatte er etwas über sie heraus-gefunden, Magdalena aber versprochen, nichts davon zu erzählen.
»Petr?«
»Ja?«
»Was ist los mit dir?«
»Ich wollte dir erzählen, dass Magdalena mich mag.«
»Und hat sie auch was über Alena erzählt?«
Wieder stockte Petr, fühlte sich überrumpelt. »Nichts Besonderes.«
»Was heißt nichts Besonderes?«
»Nein, nichts.«
»Nichts? Du druckst doch herum. Was ist? Sind wir nun Freunde oder nicht?«
»Ja, schon. Aber da war nichts.«
»Petr«, schnaufte Vlado. »Halt mich nicht für blöd, du hast doch was.«
»Weiß nicht. Hab vergessen, dass ich noch meinem Papa helfen muss.«
»Na gut. Bis nachher. Der Zug geht um drei, sei pünktlich.«
Petr verabschiedete sich und legte auf. Vlado hätte ihm bestimmt zugehört, wäre er nicht in Eile gewesen. Und wenn er ihm das mit Alenas Mutter erzählen würde? Vlado musste versprechen, es für sich zu behalten. Mit dieser Information konnte er ohnehin nicht allzu viel anfangen, aber sie würde Petr Pluspunkte einbringen.
Petr horchte in sich hinein, sein Gewissen rebellierte. Er hatte versprochen, dichtzuhalten, also entschloss er sich, erst einmal seinem Papa die Kaffeefilter zu bringen.
Minuten später stand er wieder vor der Kommode und starrte auf das Telefon. Er konnte es Vlado anvertrauen, ganz bestimmt. Magdalena musste es ja nicht erfahren. Was würde passieren, wenn doch? Er atmete einmal kräftig durch und kam zu dem Entschluss, das wäre nicht so tragisch – eine Kleinigkeit, die man beiläufig erwähnen konnte. Petr drückte die Wahlwiederholtaste, ohne mit seinem Gewissen Rück¬sprache zu halten.
***
In dem Café roch es nach Vanille, ein Schlager lief im Hintergrund. Ondrej legte sein angebissenes Marmeladenbrot zurück auf den Dessertteller. »Und dann«, fuhr er fort und putzte sich ein paar Krümel von der Unterlippe, »stürzte Jakob in die Grube. Er war klinisch tot, konnte aber reanimiert werden und erzählte später, sein Leben sei wie ein Kinofilm an ihm vorübergelaufen. Er konnte sogar die Gedanken einer Assistenzärztin hören. Hoffentlich gefällt es ihr in der Kinder¬schule, das dachte sie.«
»Eine typische Nahtoderfahrung«, warf Alena ein und bemerkte den hoch aufgeschossenen Herrn, der auf die Rothaarige am Nebentisch zusteuerte, mit einem Rauhaardackel an der Leine.
»Für mich ist das ein Beweis, dass es eine Seele oder so etwas Ähn-liches gibt, die sich vom Körper löst, sobald man stirbt«, sagte Ondrej, verspeiste sein Brot und schwemmte es mit einem Schluck Kaffee hin-unter. Alena ließ das Glas mit einem Rest Orangensaft knapp über dem
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