Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
das Tier halb am Boden, halb an der Schuhsohle klebte. »Danke, Karel. Du bist schon ein toller Mann.« Sie schlüpfte aus dem Kleid und pfefferte es in die Ecke.
Bald wusste sie, warum Karel nicht zu Hilfe gekommen war. Er saß neben Alena auf dem Sofa und sie hatte den Kopf gegen seine Brust gedrückt, heulte kaum hörbar. Die Nusssahne lag noch immer unbe¬rührt auf dem Teller.
»Alena«, donnerte Hedvika, »hab ich dir nicht gesagt, dass du aufessen und abspülen sollst?«
Karel warf ihr um Verständnis bittende Blicke zu, die sie ignorierte.
»Papa«, flüsterte Alena, »geh morgen nicht auf den Ball. Ich hab vor der Nacht so viel Angst.«
»Kommt gar nicht infrage«, warf Hedvika ein. »Werde erwachsen!«
Karel mied den Blickkontakt zu seiner Frau und streichelte Alenas Haar. »Du musst keine Angst haben. Ein Engel wacht vor deiner Zim¬mertür und passt auf, dass dir nichts passiert.«
»Alena«, knurrte Hedvika und klopfte mit der Faust gegen den Tür-rahmen. »Hörst du schlecht?«
»Na komm«, meinte Karel, »wir essen jetzt die Torte gemeinsam, okay?« Und im Flüsterton fügte er an: »So schlecht schmeckt die nicht, hab selbst fünf Stück gegessen.«
Im Fernsehen liefen die Spätnachrichten.
»Prag versinkt im Schnee. Und nun zum Sport: Viktoria Smutkov verstärkt sich mit ungarischem Nationalspieler.«
Im Morgenmantel saß Hedvika auf dem Sessel und strickte an einer Weste. Sie senkte die Hände und sah zu dem neunarmigen Kron¬leuchter auf, an dem zwei Lichter defekt waren.
»Mir tut der Bauch weh«, jammerte Karel, der auf der Couch lag und mit den Fingern gegen den Magen drückte. Eine grüne Decke hatte er um seine angezogenen Beine gewickelt.
»Selbst schuld.« Hedvika packte den Häkelkorb, stellte ihn auf die Lehne des Sessels und legte Weste und Strickzeug hinein. »Wolltest du nicht die Birnen wechseln?«
»Muss erst neue besorgen. Mensch! Ich bin vielleicht voll.« Er stöhnte.
»Bei dem, was du heute alles gegessen hast, ist das kein Wunder.« Sie platzierte den Häkelkorb im Sessel. »Kommst du nach den Nach¬richten?«
»Will mir noch die Sondersendung ansehen über Brückner.«
»Was ist mit ihm?«
»Hast es nicht im Radio gehört? Unseren lieben Außenminister haben sie mit ein paar Kilo Heroin erwischt.«
»Das gibt’s doch nicht!«
»Was?«
»Ich hab davon geträumt.«
Karel sah zu ihr und zog eine Augenbraue hoch. »Hast du letztens nicht schon was geträumt, was auch eintraf?«
»Die Fehlgeburt unserer Nachbarin.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Ach, egal. Gute Nacht.«
»Hey«, rief er ihr nach, »du könntest von den nächsten Lottozahlen träumen.«
»Ich werde mich bemühen, Schatz.«
Sie zog sich das Nachthemd über und legte sich schlafen.
Alena stand vor dem Nachttisch und stellte das Bild zurück, das Papa zeigte, mit ihr als Baby auf dem Arm. Sie packte den Stoffmond, wandte sich dem Fenster zu und drückte ihn gegen die eisbeschlagene Glas-scheibe, bis sie ein Guckloch frei geschmolzen hatte. Vom Giebel hing ein Eiszapfen und auf der Tanne vor dem Haus saß eine dunkle Gestalt mit ausgebreiteten Schwingen. Alena ließ den Tröster fallen, legte die Kleider daneben ab und schlüpfte nackt unter die Decke.
Die Tür ging auf, Licht fiel in das Zimmer. Sie schloss die Augen und stellte sich schlafend. Papa kam herein, kam auf sie zu, rückte die Decke zurecht und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie schreckte hoch und umfasste seinen Nacken. »Komm zu mir ins Bett.«
Er löste sich aus der Umklammerung, trat zwei Schritte zurück und schüttelte nur den Kopf, bevor er sich zum Gehen umwandte.
»Papa«, rief sie, als er an der Tür stand, »zeigst du mir, wie man Liebe macht?«
Er drehte sich um, sah zum Fenster. Ein Mondauge schielte ins Zim¬mer. Papa atmete schwer, auf seiner Stirn perlte Schweiß. Sie schob die Decke von sich, streichelte ihren Bauch, streichelte tiefer zwischen den Beinen. »Bitte, Papa. Zeig mir, wie man Liebe macht.«
Er horchte an der Tür, zog sie einen Spalt weit auf. Der Flügel eines Engels war auf dem Teppichläufer zu sehen und eine größer werdende Blutlache. Karel schloss die Tür und öffnete den Hosenbund seiner Jeans, während er auf das Bett zutrat.
Hedvika kämpfte sich aus dem Traum. Sie hörte ihren Atem, das Herz, und wischte sich über die Stirn. An den Fingern klebte Schweiß. Alena verführt Karel – absurd.
Aus der Schublade des Nachttisches
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