Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
setzte sich. Der Hosenbund schnitt sich in seinen Bauch. Er stand auf, öffnete die obersten Knöpfe der Jeans und atmete kräftig durch. Dann ließ er sich auf dem Bettrand nieder und stützte den Kopf auf den Händen ab. Die Augen fielen ihm zu.
Alena stieg aus dem Bett, holte sich den Stoffmond, säuberte mit Taschentuch und Spucke den Dielenboden von dem Blutstropfen und schlüpfte wieder unter die Decke.
Stimmen aus dem Flur.
Der Vater stand auf und nestelte an seinem Hosenbund. Die Mutter kam zur Tür herein, hinter ihr Milan. Seine Gedanken verrieten, dass er auf Papa eifersüchtig war.
»Arschloch!«
Alena blieb so lange unter dem Bett versteckt, bis die Mutter sie mit blutverschmierten Händen an den Haaren hervorzog, dann auf sie eintrat. Alena kauerte sich in eine Ecke, dann brachte ein Sanitäter sie ins Krankenhaus.
»Das tut jetzt ein bisschen weh«, sagte der Doktor und nähte die klaffende Wunde an der rechten Augenbraue.
Vor dem Arztzimmer wartete ihre Babischka. Sie nahm Alena an der Hand und zeigte ihr ein neues Zimmer, eine neue Heimat: Smutkov.
»Ich bin die Magdalena.« Das Mädchen aus der Nachbarschaft warf Alena einen Plastikball zu. »Magst du spielen?«
Sie verstaute den Ball in einer Schublade ihres Kleiderschranks. Sie standen in der gemeinsamen Wohnung des Studentenwohnheims. »Und ich erinnere mich noch, wie ich ihn dir zugeworfen hab«, sagte Magdalena, »und du ihn nicht gefangen hast.«
Sie setzten sich in die Küche. Alena erzählte von Vlado, dann von Martin, von dem Überfall, von Ondrej. Alena saß Ondrej beim Frühstücken im Café gegenüber, und sie diskutierten über den blinden Jakob und dessen Nahtoderfahrung.
»Dann denk ja nichts Falsches«, drohte Alena.
»Das Geheimnis kann ich dir schon verraten.« Ondrej machte eine kleine Pause und sagte dann: »Ich denke mir, dass ich dich gut leiden kann.« Und ich manchmal wach liege, weil ich nicht schlafen kann und an dich denken muss, dachte er weiter, ohne es auszusprechen.
Sie spazierten aus dem Atelier, aus Smutkov und im Mondlichtdunkel einer Bahnstrecke entlang. Alena entfernte sich von Ondrej, marschierte auf dem Gleis einem Zug entgegen. Ondrej rettete sich mit ihr auf die andere Seite.
Martin schlitzte das Kissen auf, folgte ihnen und schlug Ondrej vor dem Studentenwohnheim mit einer Eisenstange nieder. Alena versetzte er einen Faustschlag und trug sie bis zur Brücke. Die Polizei wollte ihn stellen. Zwei Schüsse fielen, einer traf Martin in die Schulter, er stach auf Alena ein. Eine Blutlache bildete sich am Brückenboden.
Vlado stürmte auf ihn zu, Martin raffte sich auf, sein Messerstich ging ins Leere. Er bekam einen Fausthieb ins Gesicht, einen Tritt in den Bauch und stürzte über das Geländer. Die Apolena riss Martin mit sich. Er ruderte wild mit den Armen, bis er an einem aus dem Wasser ragenden Felsen prallte und mit dem Kopf nach unten verschwand.
Alena schwebte über der Brücke und beobachtete, wie die Sanitäter ihren Körper in einen Krankenwagen schafften, dann wurde sie von einem warmen Gefühl geflutet und von einem Lichtstrudel eingezogen, der sich über ihr geöffnet hatte.
***
»Kann ich zu Alena?«, fragte Ondrej die Krankenschwester, die sein Bett frisch bezogen hatte.
»Ich bring dich hin.«
Er prüfte den Kopfverband, packte die Krücken und verließ mit der Krankenschwester sein Zimmer. Am Ende des Flurs saßen Magdalena und Petr. Sie war nach vorn gebeugt, das Gesicht hatte sie mit den Händen bedeckt. Er rieb ihren Rücken und nickte Ondrej zu. Jeden Tag kamen die beiden und hielten vor Alenas Zimmer Wache, zwei Wochen schon. Die Tür vor ihnen ging auf, Alenas Babischka kam heraus, sie hatte einen Rosenkranz um die Hand gewickelt. Ondrej grüßte die drei und fragte nach Vlado.
»Der holt Kaffee«, antwortete Petr.
Die Krankenschwester hielt die Tür auf, Ondrej humpelte hinein.
Die Tür klackte hinter ihm ins Schloss und er blieb einen Moment stehen, lauschte den Schritten im Flur nach, dem Gemurmel von Magdalena und der Oma, dann der Stille im Raum.
Ob Alena jemals wieder erwachen würde? Er konnte fühlen, dass es schlecht um sie stand, wenn er sich mit der Krankenschwester oder mit Dr. Svoboda unterhielt. Sie mühten sich um Zuversicht, doch ihre Mimik wollte diese nicht teilen.
Alenas Bettwäsche hatten sie von Blau auf Grün gewechselt, den Urinbeutel geleert. Sie lag in dem Bett, den Blick unverändert starr zur Decke gerichtet. Die
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