Sonderauftrag
zierlich und Vollert sah sich beim Händeschütteln vor. Doch der Händedruck des Bürgermeisters war kräftig und angenehm.
»Hausmann«, stellte er sich vor.
Kröger erläuterte kurz den Grund ihres Kommens. Hausmann folgte den Erklärungen mit wachem Blick und nickte zu den Worten des Kriminalisten.
»Tja, wollen mal sehen, ob ich Ihnen weiterhelfen kann. Was genau wollen Sie wissen?«
»Nun, Ihre Gemeinde hat das Schloss verkauft. Uns interessiert als Erstes, an wen veräußerten Sie die Immobilie?«
»Es handelt sich um eine GmbH, die aus dem ehemaligen Gutshaus ein Hotel machen will, mit Golfplatz, Reitsportmöglichkeiten und so weiter.«
»Wann war der Verkauf?«
»Letztes Jahr, genauer gesagt, im September. Es dauerte so lange, da wir als Gemeinde noch nicht als Eigentümer im Grundbuch standen.«
»Sondern wer?«
»Na, der Herr von Schleyersdorf, ein entfernter Verwandter der ehemaligen Gutsbesitzer. Gleich nach der Wende legte die Treuhand ihre Hände auf das Haus und das ganze Grundstück. Herr von Schleyersdorf hörte davon, stellte daraufhin einen Antrag auf Rückübertragung, er war wohl der einzige Erbe, und nachdem er Eigentümer von Grund und Boden war, überschrieb er alles der Gemeinde.«
»Zu welchem Preis?«
»Für die symbolische eine Mark.«
»Aber ich darf doch annehmen, dass der Wert der Immobilie höher anzusetzen ist?«
»Ja, aber Herr von Schleyersdorf wollte keinen Gewinn erzielen. Er fand es sogar amüsant, uns das Objekt praktisch zu schenken.«
Kröger schüttelte den Kopf. »Dass es solche Wohltäter noch gibt! Und ich dachte, heute regiert nur noch der schnöde Mammon.«
Jetzt schüttelte der Bürgermeister den Kopf. »Das hing irgendwie mit der Familie von Schleyersdorf, also mit den Alten, die früher auf dem Schloss lebten, zusammen. Beim Notar, als der Vertrag aufgesetzt wurde, rieb sich Herr von Schleyersdorf die Hände und meinte, dass die ›braune Brut‹ im Grab jetzt rotiere wie ein Propeller.«
»›Braune Brut‹ sagte er?«
»Ja.«
»Waren die von Schleyersdorf denn Nazis?«
Hausmann zuckte entschuldigend die Achseln. »Genaues weiß ich nicht. Da müsste ich meine Frau fragen, die ist von hier. Ich bin erst 1954 hergezogen.«
»Und das gehörte auch von Schleyersdorf?« Kröger deutete auf die Scheune und die angrenzenden Ställe.
»Teilweise, also die Scheune und ein Stall. Im Herbst 1945 wurde alles im Rahmen der Bodenreform enteignet und ist durch den Einigungsvertrag geschützt. Herr von Schleyersdorf stellte auch keinen Antrag auf Rückübertragung.«
»Mmh, und was machen Sie jetzt daraus?«
»Eine Kulturstätte!«
»Was?« Kröger und Vollert fragten gleichzeitig.
»Ja, Sie haben richtig gehört. Eine Kulturstätte! Kommen Sie mit, ich zeig’s Ihnen.« Er machte eine einladende Handbewegung.
Vollert schickte einen heimlichen Blick zu Kröger, der die Augenbrauen nach oben gezogen hatte. »Na, denn man tau!« Kröger schritt hinter dem Bürgermeister her und Vollert folgte.
Die Scheune stand auf einem festen Feldsteinfundament. Aus dieser Art von Feldsteinen waren auch die Seitenwände bis in eine Höhe von etwa einem Meter gemauert. Dann schlossen sich viele Lagen Backstein an. Als Hausmann das große Scheunentor öffnete, tat sich vor ihnen ein riesiger Raum auf. Frei konnte der Blick streifen, von links nach rechts und in die Höhe. Man sah das Dach, getragen von stabilen Holzbalken.
»Das wird unser Festsaal. Hier werden bald Konzerte stattfinden und Lesungen, man kann tanzen oder auch das Ganze als Begegnungsstätte nutzen.« Hausmanns Worte hallten in dem großen, leeren Raum wider.
»Da steckt aber noch viel Arbeit drin!« Vollert stampfte bei diesen Worten mit einem Fuß auf den festgestampften Lehmboden, über den früher Stroh und Getreide getragen wurden.
»Klar, aber es lohnt sich auch. Kommen Sie nur weiter!« Hausmann ging in Richtung eines kleineren Tores, das vermutlich später eingebaut worden war. Er öffnete es und wenige Meter entfernt stand der erste Stall.
»Davon hatten wir acht Stück. Nach dem Krieg gab es nur einen, das war der ehemalige Kuhstall der Herren von Schleyersdorf. Unsere LPG baute die restlichen sieben und züchtete hier Kälber. Jetzt braucht sie keiner mehr und wir haben sie gekauft. Die eine Hälfte wird abgerissen und die anderen vier werden umgebaut.«
Sie gingen die wenigen Meter und Hausmann betrat mit den beiden Beamten den ersten Stall. Handwerker waren an verschiedenen Stellen an der
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