Sonderauftrag
Arbeit. Prüfend zog Vollert die Luft ein. Der Bürgermeister hatte das Schnüffeln des Kriminalisten bemerkt. »Hier atmen Sie keine Stallluft mehr! Und bald wird hier sogar Küchenduft herrschen. Das wird unser gastronomischer Teil des Ganzen. Kultur geht bekanntlich auch durch den Magen.«
»Ja …« Kröger und Vollert schauten sich um. Die Handwerker fingen an, Bretter zurechtzusägen. Der Krach war ohrenbetäubend. Kröger zeigte auf seine Ohren, dann auf die Tür. Hausmann nickte und sie verließen den ehemaligen Stall. Das kreischende Geräusch der sich in das Holz fressenden Säge drang bis nach draußen.
»Herr Hausmann, haben Sie die Adresse von Herrn von Schleyersdorf und gibt es in Ihrer Gemeinde noch Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges hier lebten?«
Der Angesprochene überlegte einen Augenblick. »Ja, Anschriften und Telefonnummern habe ich im Büro und ich weiß, dass manch einer unserer Einwohner den Krieg hier im Ort erlebt hat.«
»In Ihrer Gemeinde?«
»Ob sie hier leben oder hier den …?«
»Die Kriegszeit durchgemacht haben«, vollendete Kröger den Satz.
»Ja, auch das! Aber, wie gesagt, da müsste ich ins Büro und meine Frau fragen. Die lebte während des Krieges im Dorf. Wenn Sie mitkommen möchten? Ich wollte sowieso …« Er ließ den Satz unvollendet.
Kröger schüttelte den Kopf, nachdem er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte.
»Wissen Sie, Herr Hausmann, die Uhr geht auf Mittag, und wie Sie vorhin so schön sagten, Kultur hat auch was mit Essen zu tun. Ehrlich gesagt: Ich habe Hunger. Können wir uns nach dem Mittagessen bei Ihnen im Büro treffen?«
Hausmann schmunzelte: »Klar, kein Problem! Sagen wir, in etwa anderthalb Stunden?«
Kröger nickte. »Wo ist Ihr Büro?«
»Über unserer Wohnung. Am besten, Sie klingeln unten.«
Die Männer verabschiedeten sich und fuhren zurück nach Stralsund, dem Mittagessen entgegen.
5
Pünktlich zur verabredeten Stunde standen sie wieder vor Hausmanns Tür. Beim Mittagessen hatten sie ein kurzes Resümee gezogen. Beide wunderten sich über den Verzicht dieses Herrn von Schleyersdorf auf sein Hab und Gut. Beim Amt für offene Vermögensfragen stapelten sich die Anträge auf Rückübertragung und die Treuhand verkaufte eine Immobilie nach der anderen, doch kaum hatte dieser Herr das Grundstück samt Schloss in seinem Besitz, da verschenkte er es an die Gemeinde. Jeder andere hätte versucht, den größtmöglichen Gewinn aus der Immobilie zu ziehen. Haus und Grundstück waren wieder etwas wert. Vorbei die Zeit, als Hauseigentümer mitleidig belächelt wurden. Die Mieten waren in den letzten Jahren auf ein so hohes Niveau angehoben worden, dass vielen erst jetzt bewusst wurde, was sie in den Jahren davor gespart hatten.
Die Kriminalisten brauchten nicht zu klingeln, der Bürgermeister kam mit einem leeren Eimer hinter dem Haus hervor, als sie näher traten.
»Kommen Sie rein!«, rief er und wieder gingen Vollert und Kröger die wenigen Meter bis zum Haus. »Ich stell nur den Eimer weg. Die Hühner, Sie verstehen?«
Kröger verstand gar nichts von Hühnern, außer, dass sie Eier legten, und Vollert wusste auch nicht viel mehr. Trotzdem nickten beide, als wüssten sie, worum es ging.
Hausmann führte sie in die Wohnstube, in der seine Frau schon saß. Nachdem auch sie Platz genommen hatten, fragte Kröger: »Frau Hausmann, Ihr Mann erzählte uns, dass Sie schon während des Krieges hier lebten. Können Sie uns etwas über die Bewohner des Gutshauses erzählen?«
Die Angesprochene lächelte, wischte sich mit den Händen über den Rock und fragte ihrerseits: »Sie kommen also wegen dem Toten. Was genau wollen Sie wissen? An manches kann ich mich schon erinnern, aber bedenken Sie, ich war damals noch ein Kind. Viel werde ich Ihnen nicht weiterhelfen können.«
Ihr Mann schaute sie lächelnd an und verbesserte: »Schatz, wegen des Toten …«
Sie legte die Stirn in Falten. »Ach, du mit deiner Lehrermacke! Ob wegen dem oder des Toten, tot ist tot, der Fall spielt dabei keine Rolle.«
Kröger schmunzelte. »Uns interessieren die Bewohner und die damaligen Lebensverhältnisse, und wir suchen Menschen, die uns dazu Auskunft geben könnten. Wer lebt heute noch und hat die Zeit damals bewusst miterlebt?« Er betonte besonders das Wort ›bewusst‹.
Die Frau überlegte einen Augenblick, schaute zu Kröger und dann zu ihrem Mann, der ihr aufmunternd zunickte.
»Puh«, sie stieß die Luft aus dem Mund, »tja,
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