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interessant, dass er hier auftauchte.« Ihr Mann schüttelte ärgerlich den Kopf. Eine tiefe Unmutsfalte teilte seine Stirn.
»Natürlich war es interessant. Wann hat sich denn hier mal ein hohes Tier sehen lassen die letzten Jahre!«
»Warum sollten sie auch hierherkommen?«
»Was weiß ich. Der Göring war jedenfalls hier, aber glaubst du, dass der Kohl nach Reedich kommt?«
»Du kannst doch nicht den Bundeskanzler mit dem Göring vergleichen!«
»Wieso nicht? Politik machen sie beide!«
»Nun schlägt es 13!« Seine Stimme hatte an Schärfe zugenommen.
»Vergess mal deine Rede nicht«, unterbrach sie ihren Mann. »Ich koch uns jetzt einen schönen Kaffee. Sie trinken doch eine Tasse mit?« Fragend schaute sie auf die Polizisten. Ihren › vergiss , es heißt vergiss !‹ murmelnden Mann würdigte sie keines Blickes mehr.
»Gern!«
Sie stand auf und verließ die Wohnstube.
»Entschuldigen Sie!« Dem Bürgermeister war die Situation peinlich.
»Kein Problem.« Kröger versuchte, die Lage zu entspannen.
»Sie erzählten uns heute Vormittag von einem Herrn von Schleyersdorf, der Ihnen das Schloss für eine Mark überließ. In welchem Verwandtschaftsverhältnis stand er zu den damaligen Herren?«
Der Bürgermeister dachte einen Augenblick nach, erst dann antwortete er. »Wenn ich mich nicht irre, waren sein Vater und der alte Herr von Schleyersdorf, also der Vater von Wernher von Schleyersdorf, Brüder. Er ist also der Cousin von Wernher!«
»Herr Bürgermeister, Sie sagten, Sie seien 1954 nach Reedich gezogen. Ist damals über die ehemaligen Gutsbesitzer geredet worden oder über das Verschwinden eines Mannes?«
»Über die Gutsbesitzer ist immer mal wieder gesprochen worden. Es gab diese ewig Gestrigen, die meinten, früher sei alles besser gewesen. Gerade zu der Zeit, als ich hierherkam. Aber über das Verschwinden eines Menschen, darüber hat keiner was erzählt.«
»Der Umbau des Schlosses – von wem ging da die Initiative aus?«
»Von Herrn von Schleyersdorf. Er rief mich damals an, wir trafen uns erst in Stralsund und er schaute sich dann das Dorf an. Danach teilte er uns seine Pläne bezüglich einer Übertragung an die Gemeinde mit. Anfangs waren wir skeptisch, aber er hatte einige Investoren im Schlepptau, sodass wir seine Pläne unterstützten.«
»Was macht er beruflich?«
»Er ist Eigentümer eines Architekturbüros.«
»Und er kannte das Schloss nicht?«
Der Bürgermeister schüttelte den Kopf. »Nein. Er besichtigte das Gebäude und das Dorf. Danach machte er uns den Vorschlag einer Übertragung.«
»Und diese Pläne unterstützten Sie?«
Der Bürgermeister schüttelte den Kopf. »Zuerst nicht. So ein Projekt wäre für unsere Gemeinde zu groß gewesen. Aber er kannte einige Leute, die investieren wollten in den Aufbau Ost. Die Gemeinde trägt ein geringes finanzielles Risiko.«
Er lächelte.
»Und warum stemmt er dieses Projekt nicht allein? Warum die Übertragung in kommunales Eigentum?«
Hausmann lachte kurz auf. »Das haben wir uns im Gemeinderat auch gefragt. Er wollte diese Immobilie nicht im Familienbesitz haben. Da wir die letzten 40 Jahre das Gebäude anderweitig nutzten, sollten wir auch die nächsten Jahrzehnte die Nutznießer sein. So seine Aussage.«
Kröger rieb sich das Kinn. »Scheint ja ein eigenartiger Charakter zu sein.«
Hausmann schmunzelte. »Sie baten um seine Daten. Ich habe sie schon mal herausgesucht.« Er stand auf, ging zu einem kleinen Sekretär und gab Kröger einen Zettel mit den entsprechenden Angaben.
Frau Hausmann betrat wieder die Stube und begann, den Tisch zu decken. Freundlich, als sei nichts gewesen, bat sie ihren Mann, die Tassen zu verteilen. Kröger schlussfolgerte, dass es wahrscheinlich öfter vorkam, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten gab.
Das Gespräch plätscherte während des Kaffees harmlos dahin. Vollert ließ sich den frischen Kuchen, von der Bürgermeisterfrau selbst gebacken, schmecken. Kröger hörte konzentriert zu, als die beiden Gastgeber vom Dorf, dem Leben hier und den weiteren Projekten sprachen. Als Frau Hausmann den Tisch abräumte, holte ihr Mann eine alte Wanderkarte aus dem Sekretär und breitete sie vor den Beamten aus.
Eingezeichnet war das Schloss mit dem kleinen See, der als schraffierte Fläche dargestellt war. Man sah Reedich, Kronenvitz und die umliegenden Dörfer, verbunden durch Straßen und Feldwege, die teilweise heute nicht mehr existierten. Kröger schaute auf das
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