Sonderauftrag
selbst die Angaben zur Person. Scheinbar waren mit seinen Stiefeln und seiner Jacke auch sein Selbstbewusstsein und seine Frechheit wiedergekehrt. Er lehnte sich zurück, grinste dümmlich und streckte seine Beine weit von sich.
»Ich sag gar nichts mehr.«
»So, Sie sagen nichts mehr. Und warum?« Vollert hatte sich ebenfalls zurückgelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich hab Durst. Meine Kehle ist ganz ausgetrocknet. So!«
»Durst hat der Herr. Na ja! Ein Glas Wasser?«
Saunuss’ Grinsen wurde breiter. »Ich will mich nicht waschen! Ein Bier wäre nicht schlecht.«
»Bier gibt’s hier nicht, und Waschen wäre gar keine so schlechte Idee. Wenn der Herr kein Wasser mag, wie wäre es mit einer Cola?«
Saunuss machte einen Gesichtsausdruck, den er für nachdenklich hielt. Vollert fand, er sah noch blöder als sonst aus.
»Cola klingt gut.«
Vollert warf einen Blick zu Schneider. »Wärst du so liebenswürdig? Herr Saunuss braucht eine Cola, um mit uns kommunizieren zu können.«
Schneider warf einen wütenden Blick auf Saunuss. »Da muss ich ja durchs halbe Haus. Der nächste Automat ist ein Stockwerk tiefer.«
Vollert nickte. »Sei so gut. Unser Gast«, er zeigte auf Saunuss, »mag sonst nicht reden.«
Widerstrebend stand Schneider auf und ging hinaus. Saunuss packte seine Füße auf die Ecke des Schreibtisches und schloss die Augen.
»Füße runter!« Vollert war laut geworden.
Saunuss blinzelte nur, machte aber keine Anzeichen, der Anweisung nachzukommen. Vollert stand auf und wischte mit einer Handbewegung die Beine vom Tisch. Dann ging er zum Fenster und öffnete es. Die Luft im Zimmer war stickig. Als er sich umdrehte, hatte Saunuss die Füße wieder auf der Schreibtischkante geparkt.
»Ich sagte: runter!« Vollert sprach leise, aber mit Nachdruck. Seine Stimme hatte jetzt etwas Schleifendes. »Wir sitzen hier im dritten Stock, die Sonne scheint und die Vögel zwitschern da draußen so wunderschön. Ich lass mir doch nicht den Tag versauen!« Er war immer lauter geworden.
Saunuss grinste wieder überheblich, blickte verächtlich auf den Kriminalisten und quetschte dann ein »Scheiß die Wand an, Bulle!« heraus.
Vollerts Halsschlagader schwoll an. Er atmete tief durch und sagte: »Okay, Schluss jetzt!«
Er ging langsam zu Saunuss, der ihn noch immer angrinste, packte ihn am Revers seiner Jacke, hob ihn hoch und blickte ihm in die Augen. Saunuss wusste nicht, wie ihm geschah. Zum zweiten Mal an diesem Tag sah er die Welt aus einer ungewohnten Perspektive. Er griff nach Vollerts Handgelenken und zischte mit einer Spur von Angst in der Stimme: »Lass mich runter, Bulle.«
Vollert lächelte, zog ihn dicht zu sich heran und flüsterte: »Warum?«
Der Geruch ungewaschener Haut und dreckiger Haare stieg ihm in die Nase, Saunuss’ Mundgeruch zwang ihn, den Kopf wegzudrehen. Er atmete einmal kurz ein, wandte sich dann wieder Saunuss zu, den er jetzt weit von sich hielt.
»Du stinkst ja wie ’ne Kuh ganz hinten! Man müsste dich erstmal zum Lüften aus dem Fenster halten.«
Er ging einen Schritt auf das weit geöffnete Fenster zu. Saunuss schrie einmal kurz auf, dann sank er so in sich zusammen, dass er wie ein Sack Kartoffeln in Vollerts Armen hing.
»Was ist denn hier los? Mach bloß keinen Scheiß!« Schneider war ins Zimmer getreten, eine Flasche Cola in der Hand. Vollert sah sich um und meinte: »Was für einen Scheiß?«
Er stellte Saunuss wieder auf die Füße. Der ließ einen Seufzer der Erleichterung hören und stand auf wackligen Beinen.
»Ich dachte, du wolltest ihn aus dem Fenster …«
»Schneider, ich bin doch nicht blöd!« Vollert lachte auf. »Ich … Ach, lassen wir das!«
Er drehte sich wieder zu Saunuss, der eingeschüchtert zu ihm aufsah.
»Bitte!« Vollert wies auf den Stuhl.
Saunuss setzte sich. Er versuchte, sich mit dem Jackenärmel den Schweiß abzuwischen. Vollert griff in die Schreibtischschublade, nahm eine Packung Zellstofftaschentücher heraus und warf sie Saunuss zu.
»Hier, du Held!«
Wortlos riss dieser die Packung auf und wischte sich mit fahrigen Bewegungen über das Gesicht.
Vollert hatte sich wieder gesetzt. Schneider stand immer noch unschlüssig im Raum und beobachtete die Szene. Er erinnerte sich an die Cola in seiner Hand, öffnete die Flasche und stellte sie vor Saunuss. Der griff gierig zu und trank sie, ohne abzusetzen, leer.
»Okay, machen wir weiter. Soll mein Kollege«, Vollert zeigte auf Schneider, »mühselig
Weitere Kostenlose Bücher