Sonderauftrag
Vollert hatte sich vor Saunuss aufgebaut. »Bisher war es eine Befragung, aber ab jetzt ist es eine Festnahme …«
»Festnahme? Ihr seid wohl bescheuert!« Er tippte sich gegen die Stirn.
»Bescheuert? Also wir sind es nicht, oder?« Vollert sah Kröger an. Der schwieg und schüttelte nur den Kopf.
»Also, rein in die Schuhe und dann …«
»Ich komm nicht mit, kapiert ihr das nicht?« Saunuss zog die Beine an.
»Okay, dann eben die harte Tour.« Vollert ging zum Telefon, das vor dem Fenster stand. Als er zum Hörer griff, sprang Saunuss auf. »He, das ist meins! Auflegen!«
Als Vollert nicht reagierte, sondern eine Nummer wählte, rastete Saunuss aus. »Du bist wohl taub, du Arschloch. Auflegen, hab ich gesagt!« Er machte einen Schritt in Vollerts Richtung. Dann spürte er, wie sein rechter Arm gepackt wurde und er sich Richtung Teppich bewegte. Irgendetwas hatte ihm regelrecht die Füße weggezogen. Seine rechte Wange lag auf dem dreckigen Fußboden, er sah unter die Couch und irgendjemand kniete auf seinem Rücken, seinen rechten Arm fest im Griff. Das letzte Mal, als er sein Zimmer aus dieser Perspektive betrachtet hatte, war der Wodka schuld.
Er spürte, wie auch sein linker Arm den Weg auf den Rücken nahm, dann klickten die Handschellen. Vollert hatte den Hörer wieder aufgelegt und fasste zu. Saunuss’ Perspektive änderte sich und er stand nun auf seinen Füßen, die in löchrigen Socken steckten. Auf seinem Gesicht lag die blanke Fassungslosigkeit.
Vollert lächelte ihn an und sagte: »So schnell geht das! Wer von uns ist denn nun bescheuert?«
Saunuss klappte den Mund auf, war aber zu keiner vernünftigen Antwort fähig. Vollert nahm die beiden Stiefel, knotete die Schnürsenkel zusammen und hängte sie Saunuss um den Hals. Dann gab er ihm einen leichten Schubs in Richtung Tür.
»Los geht’s. Der Tag ist jung und wir haben noch viel vor.«
Im Flur warf Kröger ihm eine Jacke über, die dort an einem abgebrochenen Garderobenhaken hing. Bei der Frage nach dem Wohnungsschlüssel gab Saunuss leise »Jacke!« zur Antwort. Kröger fasste vorsichtig in die Taschen des Kleidungsstückes. Er zog ein Feuerzeug, eine zerdrückte Schachtel Zigaretten und den Wohnungsschlüssel hervor. Sie verließen die Wohnung, schlossen ab und Saunuss musste auf Socken, die Arme auf den Rücken gefesselt, hinunter und in das Auto steigen. Die Stiefel baumelten wie Christbaumkugeln um seinen Hals. Auf der Dienststelle gab es einiges Hallo, als sie so mit ihm ankamen. Sie führten ihn in ihr Büro und ließen ihn hinsetzen.
Schneider, der an seinem Schreibtisch lümmelte und wieder in der Illustrierten las, blickte den Neuankömmling interessiert an. Zunächst aber informierte er Kröger über sein Telefonat mit der Spurensicherung. Sie waren immer noch am Arbeiten und konnten keine Auskünfte geben.
Kröger stöhnte leise. »Na gut, dann werde ich mal selber zur Spusi gehen, mein bisschen Autorität in die Waagschale werfen. Und ihr«, er deutete auf Schneider und Vollert, »fangt bitte schon mit der Befragung an.« Bevor er das Büro verließ, nickte er Vollert noch mal zu: »Du weißt ja, worum es geht.«
Schneider legte die Illustrierte in eine Schreibtischschublade, stellte dann ein Diktiergerät auf den Tisch und rieb sich die Hände.
»Da ist euch ja ein toller Vogel ins Netz gegangen.« Er musterte Saunuss.
»Kann man so nicht sagen. Er ist förmlich vor uns auf die Knie gegangen, nur um hier mit uns zu plaudern.«
Saunuss grunzte.
Vollert schloss die Handschellen auf und sagte: »Ziehen Sie sich Ihre Schuhe an. Die Socken könnten Sie auch mal wechseln.«
Saunuss rieb sich die Handgelenke und warf Vollert einen wütenden Blick zu. Langsam, fast provokant, zog er sich die Stiefel über die Füße und genauso gemächlich schnürte er deren Bänder. Zum Schluss zog er seine Jacke über.
Vollert ließ ihn gewähren. So hatte er Zeit, sich eine Taktik zurechtzulegen. Und eines hatte Vollert in seiner langjährigen Polizeipraxis gelernt: Je besser vorbereitet man an eine solch diffizile Aufgabe wie eine Vernehmung ging, umso schneller fielen einem die Früchte der Arbeit in den Schoß.
Vollert nahm Saunuss gegenüber Platz. Seine Frage, ob er mit einer Aufzeichnung des Gespräches einverstanden sei, verneinte Saunuss. Wohl oder übel musste Schneider die Vernehmung schriftlich protokollieren. Mit einem Seufzen zog er sich Block und Stift heran. Doch Saunuss dachte nicht daran zu reden. Er verweigerte
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