Song of the Slums
worden zu sein. Astor sog die Duftsymphonie tief in sich ein: Früchte und Blumen, Gras und Baumharz. Sie passierten von fern mehrere Gewächshäuser und gingen auf ein größeres achteckiges Steingebäude zu.
»Hier können Sie bei Ihren Proben so laut sein, wie Sie wollen, und Sie werden niemanden stören«, teilte Lorrain ihnen freundlich mit.
»Der perfekte Platz für Sie.«
Sie gingen unter einem gewölbten Spalier mit Weinreben hindurch und betraten das Gebäude. Im Inneren sah es aus wie in einer Jagdhütte, mit Teppichen und Tierfellen auf dem Fußboden, Gobelins an den Wänden und einer bemalten Decke, die einen bewölkten blauen Himmel mit Engeln zeigte. Von dem zentralen Wohnbereich gingen acht durch Vorhänge abgeteilte Nischen ab.
Lorrain ging auf eine davon zu und zog den Vorhang beiseite, dahinter befand sich ein Raum, ausgestattet mit Bett, Nachttisch, Teppich und Armleuchter.
»Ihre persönlichen Schlafkammern«, erklärte er, und wandte sich lächelnd an Astor. »Dies sollte Ihre sein.«
»Wieso meine?«
»Weil es die luxuriöseste ist.«
»Und?«
»Na, Sie sind doch die Bandleaderin, oder?«,
Astor schüttelte den Kopf, während Reeth erklärte: »Bei den Rowdys sind alle gleich.«
»Oh.« Lorrain warf Astor unter gesenkten Wimpern einen Blick zu. »Na gut, dann eben, weil Sie die Schönste sind.«
Astor glaubte sich verhört zu haben. Wäre es von Verrol gekommen, wäre es ironisch gemeint gewesen, aber Lorrain war nicht der ironische Typ. »Was haben Sie gesagt?«
Er blickte schnell weg und errötete vor Verlegenheit. »Sie haben so schön gespielt, heute Abend«, murmelte er stockend. »Ich dachte, Sie sind die Leaderin, weil Sie den anderen Anweisungen gegeben haben. Äh, so hatte ich das eben gemeint.«
Verrol mischte sich hitzig ein. »Mal gibt sie die Anweisungen, und ein anderes Mal gibt sie ein anderer. Das würden Sie sowieso nicht verstehen.«
Astor runzelte die Stirn. Sie wusste zwar nicht, warum Lorrain so freundlich war, aber diese Grobheit hatte er nicht verdient.
»Danke.« Sie lächelte ihn an, als habe Verrol eben gar nichts gesagt.
Lorrain lächelte zurück. »Ich stimme zwar nicht immer mit meinen Brüdern überein«, sagte er. »Aber ich bin mir sicher, Sie bekommen das hin. Sie bekommen alles hin.«
Er verabschiedete sich mit einer Verbeugung und ging ohne ein weiteres Wort.
»Was kriegst du hin?«, fragte Purdy.
Alle Augen waren auf Astor gerichtet. »Wir haben mit Bartizan und Phillidas gesprochen. Mave und ich. Die Plutokraten wollen mehr von uns. Einen Tausch.«
»Was soll das sein?«, verlangte Reeth zu wissen.
»Du weißt nichts davon?« Astor beobachtete ihn sehr genau und kam zu dem Schluss, dass seine Überraschung echt war. Sie drehte sich zu den anderen. »Wir müssen über die Zukunft der Rowdys sprechen.«
»Wieso? Es ist doch schon alles klar!«, rief Reeth.
»Nein«, blaffte Verrol.
»Ihr habt noch nicht alles gehört«, sagte Mave. »Keiner von euch.«
»Ich glaube, das hat Zeit bis morgen«, sagte Astor. »Wenn wir alle ausgeschlafen sind. Das ist jetzt zu wichtig, um entschieden zu werden, wenn wir müde und gereizt sind.«
Die letzten Worte galten Verrol, der finster dreinblickte.
Mave nickte zustimmend. »Morgen, wenn wir ausgeschlafen sind«, sagte sie.
Verrol zeigte in Richtung des Vorhangs, den Lorrain zur Seite gezogen hatte. »Das ist also deine«, sagte er zu Astor.
Und da ja irgendjemand in der luxuriösesten Schlafkammer übernachten musste, tat Astor genau das.
• 61 •
Mitten in der Nacht begann es zu regnen. Und es regnete noch immer, als sie am Morgen aufstanden; der Regen strömte nur so herunter und trommelte auf das Dach. Sie setzen sich an den runden Tisch im Wohnbereich und begannen ihre in der letzten Nacht verschobene Diskussion.
Nachdem Astor und Mave erklärt hatten, welche textlichen Änderungen für den 16. November von ihnen erwartet wurden, gab Verrol ein höhnisches Lachen von sich. »Marschlieder! Militärische Rhythmen!«
»Sie bestehen auf neuen Lyrics«, sagte Astor. »Neue Rhythmen einzubauen ist verhandelbar.«
Ollifer zuckte mit den Achseln. »Wenn wir das eine tun, können wir das andere auch tun.«
Die Fronten waren schon bald abgesteckt. Ollifer und Reeth hatten keinerlei Probleme mit den Änderungen; Verrol und Mave waren dagegen; Purdy würde sich der Mehrheitsmeinung anschließen. Astor stieß die Idee, neue Rhythmen einzubauen, ab. Außerdem teilte sie eigentlich Maves Ablehnung,
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