Song of the Slums
nur die Musik.«
Verrol kochte, er sprang auf und ging ruhelos auf und ab. »Die Plutokraten haben recht, was unsere Musik angeht. Sie setzt Gefühle frei, bevor das Denken einsetzt. Sie bringt das Blut und die Sinne in Wallung, sie hat die Macht, Leute zu manipulieren, sie dazu zu bringen, irgendwelche Dinge zu tun. Versteht ihr überhaupt, was ich sagen will?«
Er blieb stehen und betrachtete die Gruppe am Tisch. »Es ist eine Macht, die zum Guten oder Schlechten genutzt werden kann. Es ist unsere Verantwortung, sie zum Guten einzusetzen. Wir haben die Wahl. Wir können warme Gefühle der Freude entzünden oder wütende Gefühle der Rache entfachen. Das ist unsere Entscheidung.«
Reeth schüttelte seinen Kopf. »Wer entscheidet schon, was gut oder was schlecht ist? Die Plutokraten glauben an eine Sache, du an eine andere. Wer bin ich denn, dass ich das entscheiden soll?«
Verrols Lippen kräuselten sich. »Wir wissen über dich Bescheid, Reeth. Du gierst so verzweifelt nach Erfolg, dass dir jede Entschuldigung recht ist. Du willst, dass wir deine Träume für dich wahr werden lassen.«
»Und Grannys Träume«, murmelte Purdy.
Verrol wandte sich weiterhin an Reeth. »Es ist aber nicht unsere Aufgabe, dich für die Misserfolge in deinem Leben zu entschädigen.«
Reeth zuckte erschrocken zusammen. Selbst Astor fand das übertrieben grausam. Sie versuchte, die Situation etwas zu entschärfen. »Ich bin mir sicher, dass er es nicht so meint, wie es sich angehört hat.«
Verrol warf ihr einen ärgerlichen Blick zu, der besagte, dass er das sehr wohl genauso gemeint hatte, wie es sich anhörte.
»Auf welcher Seite bist
du
eigentlich?«, fragte Mave sie.
Astor versuchte einen gemeinsamen Nenner zu finden, um sich nicht auf die eine oder andere Seite stellen zu müssen. Die Bandmitglieder waren auch in der Vergangenheit oftmals unterschiedlicher Meinung gewesen – warum konnten sie es jetzt nicht ausdiskutieren?
Und so drehten sich die Argumente im Kreise, dieselben Behauptungen und Gegenbehauptungen wurden wiederholt, und die unterschiedlichen Standpunkte verwurzelten sich immer tiefer. Purdy schien sich der Sichtweise von Reeth und Ollifer anzuschließen. Am Ende konnten sie sich nicht einmal mehr darauf einigen, wie eine Entscheidung überhaupt zustande kommen sollte.
»Eine einfache Mehrheit«, sagte Reeth. »So muss es sein.«
»Eine Mehrheit von
Bandmitgliedern
«, warf Mave scharfzüngig ein.
»Ich bin euer Manager. Da bin ich doch auch Teil des Teams.«
»Wir müssen einen Konsens erreichen«, sagte Verrol. »Jeder hat das Recht auf ein Veto.«
»Nein!« Reeth, Ollifer und Purdy sprachen sich dagegen aus – aber bedeutete dies, dass ihre mehrheitliche Ablehnung Verrols Veto überstimmte?
»Wir hätten diese Dinge schon vor langer Zeit besprechen sollen«, sagte Mave.
»Aber wer hätte denn gedacht, dass wir Abstimmungen brauchen?«, lamentierte Astor.
Reeth versuchte es mit einem letzten Appell. »Ich kann einfach nicht glauben, dass ihr euch wegen so einer Kleinigkeit alles verbauen wollt. Wenn ihr eure Chance jetzt verpasst, werdet ihr das euer Leben lang bereuen. Entscheidet jetzt, und alles steht euch offen.«
Er war wild entschlossen, das Patt zugunsten der Plutokraten-Unterstützer aufzulösen. Aber Mave blickte weg, und Verrol schüttelte den Kopf. Die Versammlung wurde aufgehoben, ohne dass eine Entscheidung gefällt worden war.
• 62 •
Astor ging in ihre Kammer, zog den Vorhang hinter sich zu und streckte sich auf dem Bett aus. Sie wollte keine militärischen Rhythmen in ihrem Drumming-Repertoire, das war klar, aber alles andere fand sie verwirrend. Sie brauchte Zeit, um sich ihrer eigenen Meinung bewusst zu werden. Tatsache war, dass sie das Gefühl des Triumphes
liebte
, vor allem, seitdem sie das stocksteife Publikum in der Royal George Hall für sich gewonnen hatten, und sie
liebte
die allseitige Bewunderung, die sie nach der Show erntete. Selbst die von Blanquette, Prester und Widdy! Wenn die Rowdys ihre Gangmusik spielten, war es, wie wenn sie einen Zauberstab hätten; sie konnten das Unmögliche wahr machen. Sie war sich sicher, dass die Royal George Hall nur der Anfang war.
Aber vielleicht war es auch das Ende. Sie erinnerte sich, wie Bartizan und Phillidas der Silver Rose Band gedroht hatten:
Wir werden dafür sorgen, dass ihr in dieser Stadt nirgendwo mehr auftreten könnt
. Vermutlich würde es den Rowdys ebenso ergehen. Sie wären gezwungen, mit eingezogenem Schwanz
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