Song of the Slums
neue Texte zu verwenden; aber andererseits wollte sie vermitteln und die Band zusammenhalten.
»Die Lyrics sind für die Melodien gemacht«, beharrte Mave. »Untrennbar.«
»Gut, das bezieht sich auf
deine
Songs«, sagte Ollifer. »Aber du hättest doch kein Problem bezüglich der anderen, oder?«
»Doch, habe ich aber, denn irgendjemand hat eben diese Worte für genau diese Melodien geschrieben. Das muss man respektieren.«
Reeth schob alle Einwände mit einem Armwedeln beiseite. »Ist das jetzt nicht ein bisschen spitzfindig? Wir können doch in dieser Situation nicht anfangen, persönlichen Vorlieben nachzuhängen.«
Mave gab sich nicht geschlagen. »Es ist eine Frage der musikalischen Integrität.«
»Ein
paar
Kompromisse müssen wir schon machen.« Auch Reeth wollte sich nicht geschlagen geben. »Das muss jeder. Das ist so, wenn man nach oben will.«
»Ich betrachte es als Herausforderung«, sagte Ollifer bedeutungsschwer. »Sind wir vielseitig genug? Haben wir das Können umzuschreiben? Ich glaube, wir können das.«
»Warum sollten wir?«, Mave schüttelte ihren Kopf. »Sie haben nicht das Recht dazu.«
»Es ist doch nur für einen einzigen Tag«, sagte Reeth. »Wenn wir den Plutokraten diesen Gefallen tun, stehen sie für immer in unserer Schuld.«
Mave blickte ihn finster an. »Wenn wir uns jetzt herumschubsen lassen, werden sie uns für immer kontrollieren. Das nächste Mal werden sie andere Änderungen haben wollen.«
»Wenn wir uns jetzt weigern, wird es kein nächstes Mal geben.« Reeth wandte sich an alle. »Ihr solltet solche Sachen mir überlassen. Schließlich bin ich ja euer Manager.«
Jetzt schaltete sich Verrol ein. »Was für Sachen?«
»Verhandlungen. Planungen. Machbarkeitsabwägungen. Gerede. Ihr solltet euch auf eure Auftritte konzentrieren, ich kümmere mich um das große Ganze.«
»Du glaubst, das ist das große Ganze?« Verrols Ton war spöttisch, aber sein Körper war steif vor Anspannung und unterdrücktem Ärger.
»Ich sag dir mal, was ein größeres Ganzes ist. Ein größeres Ganzes ist der für den 16. November geplante Putsch, und dass die Plutokraten den größten und längsten Krieg seit Bestehen der Menschheit in Gang setzen wollen. Vielleicht hattest du das schon wieder vergessen?«
Einen Moment war es still, dann sagte Ollifer. »Ich werde nicht kämpfen. Aber wenn andere Leute kämpfen wollen, sollen sie doch.«
»Wer sind für dich denn
andere Leute
?«
Ollifer zuckte mit den Schultern. »Milizionäre zum Beispiel. Jeder, der sich freiwillig meldet.«
»Oh, dies wird doch kein Freiwilligenkrieg sein.« Jetzt war Verrol geradezu gefährlich leise. »Dieser Krieg wird über Einberufungsbefehle geführt werden. Presserbanden werden die Leute zwangsrekrutieren, werden sie gewaltsam einfach von der Straße weg oder aus den Slums heraus rekrutieren. Die armen Leute, die Arbeiter. Aber niemals die Plutokraten.«
Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. Astor kannte seine Ansichten zum Krieg aus ihren Unterhaltungen in Swale House; damals war er sehr ernst gewesen, aber heute war er richtig leidenschaftlich.
»Ihr habt doch gehört, was sie gestern Abend gesagt haben«, fuhr er fort. »Sie wollen ihre Fabriken wieder profitabel machen. Altes zerstören, um die Nachfrage nach neuen Gütern anzukurbeln. Denen macht es doch nichts aus, wenn dabei ein paar Menschen ihr Leben lassen müssen. Ein paar Tausend Menschen. Ein paar Hunderttausend. Ein paar Millionen. Ihr habt doch gehört, was Chard über Einschusslöcher in Uniformen gesagt hat.«
Astor erinnerte sich gut: Als Chard von den Einschusslöchern gesprochen hatte, die neue Uniformen nötig machten, hatte er keinmal die Person erwähnt, die in der Uniform steckte.
»Ich bin Sänger, kein politischer Denker«, sagte Ollifer.
Reeth nickte. »Wir sind doch nicht verantwortlich für den Zustand der Welt.«
Selbst Purdy stimmte dem zu. »Ich spiele einfach nur Gitarre. Ich will mit Politik nix zu tun haben.«
»Hast du aber schon!« Verrol schlug seine Faust krachend auf den Tisch. »Du bist auf derselben Seite wie die Kriegshetzer!«
»So sehe ich das nicht«, ließ Reeth sich beleidigt vernehmen.
»Du
willst
es nicht sehen. Wenn unsere Musik dabei behilflich ist, dass der Putsch gelingt, wird die neue Regierung den Krieg erklären, und Millionen Menschen werden ihr Leben verlieren. Wie kann man das denn anders sehen?«
»Es ist doch nicht unsere Verantwortung«, sagte Reeth. »Wir stellen doch
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