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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Schritte aber genau das taten, wozu sie keinen Grund hatten, und ihr in die Gasse folgten, hätte sie losschreien können, doch statt zu schreien nahm sie die Beine in die Hand und rannte los. Kein Grund mehr, auf die Lautstärke ihrer Schritte zu achten. Sie hätte vielleicht um Hilfe rufen können, wenn eines der Fenster, die auf die Gasse blickten, erleuchtet gewesen wäre, aber alle waren dunkel oder verbarrikadiert.
    Fünfzig Meter weiter stellte sie fest, dass es sich bei dem Gässchen um eine Sackgasse handelte. Sie rannte um das kreisrunde Mietshaus an ihrem Ende herum, aber sie fand keinen Ausgang, nirgends, nur abweisende Hauswände. Sie blickte zurück in die Gasse und versuchte ihre rasselnde Atmung unter Kontrolle zu bringen. Noch sah sie nichts als wabernden Smog … aber sie hatte das Gefühl, dass die doppelten Schritte sich nach links und rechts aufgeteilt hatten, um ihre Flucht zu verhindern.
    Dann also einfach durch die Mitte. Sie raste los – und zwei Gestalten traten aus dem Smog, streckten ihre Arme aus und hinderten Astor so zu entkommen. Schwankend blieb sie stehen, dieser Albtraum hatte sie nun vollständig im Griff.
    »Na, was haben wir denn da?«
    »Ein süßes kleines Kätzchen.«
    Der Mann zur Rechten trug eine rote Armeejacke und eine abgewetzte Armeemütze. Als er seinen Mund öffnete, sah man, dass er nur noch einen Zahn hatte, der Rest war schwarzes Zahnfleisch. Der Mann zur Linken war jünger, er trug einen ledernen Patronengurt und Reithosen mit Hosenträgern. Eine fürchterliche Narbe verunstaltete eine Gesichtshälfte von der Stirn bis hinunter zum Kinn, auf der anderen Häfte des Kinns wuchs ein Bart.
    Astor versuchte in einem gleichmütigen Ton zu sprechen. »Ich habe kein Geld.«
    Der Halbbart grinste, und sein Grinsen verzerrte sein Gesicht zu einer grauenvollen Grimasse.
    »Wir wollen dein Geld nich.«
    »Was denn?«
    »Nix. Nix für mich.«
    »Für mich auch nich«, sagte der Einzahn. Und plötzlich hatte er ein langes glänzendes Metall in der Hand. »Aber für meine Klinge isses ne andere Geschichte.«
    »Und für meine!«, sagte der Halbbart, und nun hatte er auch eine Klinge in der Hand.
    »Bajonett is der richtige Name.« Der Einzahn drehte die Klinge herum, als untersuche er sie. »Warn schon aufm Kontinent in Dienst, diese hier. In allen Kriegen des Königs.«
    »Und nich nur da«, fügte der Halbbart hinzu.
    »Hab ich bestimmt in nen Dutzend Fritze und Froschfresser gesteckt.«
    »Mehr.«
    »Jaah, bestimmt. Aber nich mehr, seit der Krieg um is.«
    »Meins auch nich«, sagte der Halbbart. »Seit Jahren hat es in niemandem mehr gesteckt.«
    »Die kriegen Durst, weißte«, fuhr der Einzahn fort. »Die brauchen Blut.«
    Plötzlich streckte er seinen Arm aus und kitzelte Astors Kinn mit der Spitze der Klinge. Dann ihre Wange. Dann schnippte er nach einer ihrer Locken.
    Astors Hirn war wie gelähmt, ihre Muskeln wie Pudding. Sie wusste, dass sie so gut wie tot war.
    »Schreit wohl nich, das Kätzchen?«, fragte der Halbbart.
    »Die wird die Klappe halten«, sagte der Einzahn.
    »Ha, die fängt an, uns zu mögen.«
    Eine Stimme durchschnitt ihr hämisches Gewäsch. »Aber
ich nicht

    Verrol!
    Mit einem Ruck kehrte Astor von den Toten zurück.

• 24 •
    Die Veteranen fuhren herum. Verrol stand etwa zehn Schritte von ihnen entfernt und betrachtete sie scheinbar ruhig und lässig. Dennoch spürte man, dass er wie eine gespannte Feder war. »Verpiss dich«, schnauzte der Einzahn ihn an. »Wir ham sie zuerst gefunden.«
    »Das is
unser
Spiel«, warnte ihn der Halbbart. »Such dir selber wen.«
    »Hab ich schon«, sagte Verrol. »Euch.«
    Seine Stimme strahlte eine ruhige Bösartigkeit aus, aber die Veteranen ließen sich davon nicht beeindrucken. Als Verrol sich seiner Jacke entledigte, brachen sie in lautes Gelächter aus.
    »Will nen Faustkampf!«
    »Schade, aber wir kämpfen nich mit der Faust.«
    »Wir kämpfen
so
!« Schnell wie eine Schlange, die auf ihr Opfer zustößt, schwang der Einzahn sein Bajonett und zielte auf Verrols Hals.
    Astor hielt die Luft an. Sie hätte schwören können, dass sie gesehen hatte, wie die Klinge in das Fleisch eindrang – aber dem war nicht so. Verrol sprang zur Seite und hielt die Jacke, die er noch immer in Händen hielt, in die Höhe. Einen Moment lang verstanden weder Astor noch die Veteranen, was passiert war.
    »Simsalabim!«, rief Verrol und faltete die Jacke auseinander, in der nun das Bajonett lag. Er hatte es in der Luft

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