Songkran
von Thong Lo zu.
„Was ist mit der Soi 55 und den kleinen Nebenstraßen?“
„Viele Restaurants und Bars sind da in japanischer Hand.“
„Außenbars?“
„Nein , Sir. Die Japaner bevorzugen geschlossene Räume.“
„Die Sperrstunde um zwei wird eingehalten?“
„Zu hundert Prozent. Meine Leute kontrollieren jede Bar, auch die japanischen. Aber da gibt es sowieso keine Probleme.“
Der Revierleiter von Thong Lo war über die Ereignisse der letzten Nacht nicht informiert worden. Chaiyon wollte den Kreis der Eingeweihten so klein wie möglich halten. Auf die Frage, was der Grund für die Räumungsaktion sei, zog Chaiyon ratlos die Schultern in die Höhe, als ob er, wie sein Kollege, im Nebel stocherte.
Ein schwarz-weißer Suzuki-Pickup der Polizei fuhr an der Ecke Sukhumvit-Asok vor und hupte. Chaiyon verabschiedete sich vom Leiter der Polizeistation Thong Lo und stieg auf den Beifahrersitz. Das Fahrzeug fädelte sich reibungslos in den fließenden Verkehr ein. Chaiyon war mit seinen Männern zufrieden.
„Welcome, sexy man!“, riefen die Barmädchen im Chor. Jede Geste, jede Anmache ließ Manfreds Erregung steigen. Berauscht vom grellen Lärm der schreienden Frauen watete der Deutsche die enge Gasse hindurch. Wo anhalten? Wo hineingehen? Eine überquellende Speisekarte, die die Wahl zur Qual machte. Wie oft war er in der Soi Cowboy gewesen? Wieviele Geschlechtsverkehre hatte er hier genossen? In wie vielen short time rooms die Hose runter gelassen? Über wie viele versiffte Bettlaken hatte er die Nase gerümpft, sich sogar geekelt? Stets war seine Triebhaftigkeit größer gewesen.
Der Alkohol in seinem Blut war nicht mehr zu verleugnen. Die bunten, aufdringlichen Lichtreklamen der Gogo-Bars, die die Gasse auf beiden Seiten umklammerten, verwirrten ihn. Jetzt hatte er die Hälfte der Soi Cowboy hinter sich gebracht und noch keine Gogo-Bar angelaufen. Nach wenigen Schritten durch das Gedränge aus alten und jungen Männern, die groß, klein, dick, dünn, schön oder hässlich waren, stand er dicht vor den Mitarbeiterinnen der Country Road Bar. Der Haupteingang der Soi Cowboy war erreicht. Die Barfrauen standen Spalier und versuchten, Unentschlossene in ihre Musikkneipe zu lotsen, die außer Rock´n Roll auch käufliche Mädchen im Angebot hatte. Robuste Frauenarme griffen nach Manfred. Bestimmt führten sie ihn zu einem unbesetzten Barhocker am Tresen, der auf einer Holzveranda stand.
Plötzlich fühlte Manfred die Kraft eines jungen Hengstes in sich. Laut gestikulierend bestellte er ein Klosters und betatschte der jungen Bedienung den Hintern, der in einer engen Jeans steckte. Die Zwanzigjährige nahm seine Berührung kaum wahr, da der Körperkontakt mit Männerhänden zu ihrem Job gehörte.
Für die drei blutjungen, dünnen Tänzerinnen galten die gleichen Spielregeln. Die Mädchen tauchten stündlich vor dem Eingang der Country Road Bar auf, um sich dort mit billigem Thaiwhisky zu versorgen. Je angetrunkener sie waren, desto schamloser konnten sie sein. Gierig verschlangen Manfreds Blicke die Brüste, Bäuche und Pos der drei Besoffenen, deren Arbeitskleidung aus knappen Shorts und engen Tops bestand. Aus heiterem Himmel versagten die Beine eines Mädchens. Sie sackte in sich zusammen. Die Kolleginnen brachten sie wieder in die Vertikale. Das ungenierte, laute Lachen der Mädchen vermischte sich mit der Livemusik der Band, die in der Country Road Bar aufspielte. Die thailändische Elvisimitation stimmte die Gitarre an zu love me tender .
Eine schlanke Frau mit schönen, strengen Gesichtszügen setzte sich neben Manfred. Ihre zierliche Hand presste leicht auf seinen Oberschenkel. Sie hatte ihr Lasso für die Nacht ausgeworfen.
Die alte Dame
Montag
Noi griff in ihrer Handtasche nach dem Phantombild, das sich den engen Platz mit Lippenstift und Nokiahandy teilte. Die rüstige, leicht ergraute Dame in den Siebzigern hielt das in der Mitte geknickte Porträt für einige Sekunden in der Hand. Entschuldigend schüttelte sie den Kopf. Die Zeichnung zeigte einen Thai, um die 25 Jahre alt, mit einem Allerweltsgesicht. Gun hatte im Scherz beiläufig erwähnt, dass dieses Phantombild mindestens auf drei seiner engsten Freunde zutrifft. Später beschäftigte ihn diese flapsige Aussage, da er sich eingestehen musste, keine besten Freunde mehr zu haben.
Noi hatte nicht erwartet, dass die Dame mit dem deutschen Nachnamen, den Unbekannten identifizieren würde. Aber sie wollte sich später nicht
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