Songkran
er regelt die Sache in unserem Sinne.“
Das Gesagte erfüllte Noi mit Stolz. Sie mochte Gun, aber jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihn kaum kannte.
„Sie sprachen von der unteren Ebene, was ist die obere?“, hakte Noi nach. Es interessierte sie. Seit Tagen hatte sie mit Menschen zu tun, die sich in der Freizeit sozial engagierten. Warum taten die Menschen das? Viele waren Anfang zwanzig so wie sie.
„Die obere Ebene ist die Politik. Prostitution ist illegal in Thailand. Man müsste jetzt annehmen, dass es keine bemerkenswerte Prostitution gäbe. Wie sie wissen, das Gegenteil ist der Fall. Wir setzen uns deshalb für eine Legalisierung der Erwachsenenprostitution ein. Kinderprostitution ist verboten und gehört strafrechtlich verfolgt. Nicht das Kind, wohl gemerkt, sondern die Kunden, Barbesitzer und auch die Eltern, wenn sie daran beteiligt sind. Diese Gesetze gibt es in Thailand und der gesellschaftliche Kampf gegen die Kinderprostitution trägt langsam Früchte, wobei die Zahlen leider noch sehr hoch sind.“
„Öffnet eine Legalisierung nicht Tor und Tür für die Prostitution?“
Die alte Dame hatte diese Frage schon unzählige Male gehört und beantwortet. Noi spürte das.
„Schlimmer als jetzt kann es kaum kommen. Schätzen Sie mal. Oder vielleicht sind Sie im Besitz von offiziellen Zahlen. Wie viele Menschen in unserem Land prostituieren sich?“
Noi musste sich eingestehen, dass sie von dieser Thematik nichts wusste.
„Ich gebe zu, diese Frage ist schwierig zu beantworten: Die Statistiken schwanken nämlich enorm, je nachdem, wer die Daten erhebt. Glaubt man der Regierung, sind ca. 200 000 Menschen in der Prostitution tätig. Nun hat die Regierung das Ziel, die Anzahl möglichst klein darzustellen. Neuste Untersuchungen der Chulalongkorn Universität kommen zu erschreckenden Zahlen. Dort heißt es, dass zwischen 1999 und dem Jahr 2002 ca. 2,8 Millionen Menschen ihren Lebensunterhalt komplett oder zum Teil in der Prostitution verdienten.“
Die alte Dame machte eine Pause, als ob sich die Millionen setzen müßten. Dann fuhr sie in ihrem langsamen Sprachduktus fort.
„Die Legalisierung der Prostitution wird ja nicht nur von uns gefordert. Auch in westlichen Ländern wird darüber ernsthaft diskutiert. Was nützt uns ein Verbot, wenn es millionenfach unterlaufen wird. Wenn das Prostitutionsverbot aufgehoben wird, werden die Prostituierten entkriminalisiert. Bisher können sie ihr Recht nicht einklagen, da sie keine Arbeitsrechte besitzen dürfen. Bisher sind sie Opfer von Behördenwillkür, da sie ja einer verbotenen Arbeit nachgehen. Bisher müssen sie sich bei der Polizei freikaufen.“
Noi nickte. Gelassen hatte sie die letzte Bemerkung über die Polizei registriert. Sie war nicht naiv, auch wenn viele Männer sie aufgrund ihrer lolitahaften Schönheit dafür hielten.
„Kennen Sie die Organisation Powerful , hier in Bangkok?“, fragte die alte Dame.
Noi schüttelte den Kopf.
„Eine Organisation gegründet und geleitet von Prostituierten. Diese NGO fordert vehement die Legalisierung und die Anerkennung der Prostitution als normale Arbeit, mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen Absicherungen. Um das Thema abzuschließen“, fuhr die alte Dame fort, „die Legalisierung ist der Weg des kleineren Übels. Ich bin kein Narr in dieser Frage. Aber es ist einen Versuch wert. Und die Regierung denkt ja auch laut darüber nach. Aber aus anderen Gründen.“
„Welche Gründe meinen Sie?“ Noi hatte die öffentliche Diskussion über das Pro und Contra der Legalisierung nicht verfolgt.
„Die Regierung will an den Milliarden mit verdienen. Aber solange das ganze Geschäft informell abläuft, werden keine offiziellen Steuern erhoben. Und jetzt wird es interessant: die Regierung stößt bei ihrem Vorhaben auf großen gesellschaftlichen Widerstand. Der Mönchsorden oder Sangha empört sich, da Prostitution gegen die Werte unserer buddhistischen Religion verstößt. Ihr Verein, ich meine den Polizeiapparat, fürchtet um seine Verdienstquellen. Keine verbotene Prostitution, keine Bestechungs- und Schmiergelder. So einfach ist das!“
Die alte Dame schaute auf die Zeiger ihrer antiken Wanduhr. Noi ihrerseits schaute auf die digitalen Ziffern ihrer Armbanduhr.
„Wir müssen Schluss machen, ein wichtiger Termin steht an. Aber da ich von Natur aus neugierig bin, beantworten Sie mir bitte diese letzte Frage. Warum sind seit Freitag Nacht die Außenbars auf der Sukhumvit verschwunden? Ich frage
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