Sonne, Meer und Bea (German Edition)
Glücklicherweise waren wir früh dort und die Touristenströme kamen erst später. Und werden, jetzt wo wir wieder draußen sind, den ganzen Park, die ganze Plattform um das Mausoleum bevölkern und »Ah« und »Oh« rufen und den Auslöseknopf ihres Fotoapparates betätigen.
Das Rote Fort von Agra lassen wir rechts liegen, in seiner Bruderfestung in Delhi waren wir ja erst vorgestern. So kämpfen wir uns vorwärts durch die aufkommende Wärme in Richtung Bahnhof Agra Fort. Wir wollen heute noch nach Fathepur Sikri. Da der nächste Zug erst in eineinhalb Stunden fährt, beschließen wir im Basar hinter dem Bahnhof zu stöbern und die Zeit totzuschlagen. Wir kehren in einem düsteren und staubigen Restaurant ein, wo wir einen Tee trinken wollen. Wohl in der Hoffnung, wir würden mehr bestellen, schaut uns die Bedienung im vollkommen leeren Speiseraum entgeistert an, bringt uns dann aber ohne zu murren zwei Tassen Tee. Ich lese Maja aus dem Reiseführer etwas über unser Ziel vor.
Fathepur Sikri ist gut 40 Kilometer entfernt. Es heißt, diese verlassene Stadt ist unbedingt einen Besuch wert, also lassen wir uns das Vergnügen auch nicht nehmen, da es auf unserer Eintrittskarte zum Taj Mahal mit vermerkt ist.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof kaufen wir ein paar Bananen, denn ich bin hungrig. Aber da bin ich nicht alleine. Wir warten vor dem Bahnhof. Meine in einer Plastiktüte verstauten Bananen halte ich hinter meinem Rücken. Plötzlich zuppelt etwas daran.
»Oh mein Gott, jetzt versuchen mir die Bettler schon mein Essen aus der Hand zu reißen«, denke ich und gebe ein empörtes »Hey« von mir. Maja schrickt zusammen und schaut mich fragend an. Hinter mir entdeckt sie etwas Großes und es ist kein Bettler. Es rupft an meinen Bananen und sieht entschlossen aus, diese für sich zu beanspruchen. Eine braune Kuh zieht an meiner Tüte, und wenn sie ihr aus dem Maul gleitet, schnappt sie sogleich wieder zu. Sind diese Bananen eine Heldentat wert? Kämpfen auf Banane und Tod mit dem Hornvieh? Oder lasse ich Milde walten und überlasse ihr mein Essen? Ich beschließe nachzugeben. Die Kuh trottet mit den Bananen davon.
Die Fahrt mit dem Zug dauert eine Stunde und wir landen irgendwo vor dem Ort auf einer staubigen Piste. Aber der Reiseführer weist uns den Weg. Am Eingang erwartet uns eine Überraschung. In der vollkommen überteuerten Eintrittskarte vom Taj Mahal ist das Entgelt für Fathepur Sikri nicht, wie von mir angenommen, enthalten, sondern sie wollen noch mal Eintrittsgeld haben. Mich ärgert es, dass hier die Touristen geschröpft werden, weswegen ich empört kehrt mache. Die erhoffte Wirkung entfaltet meine Aktion aber nicht, der Ticketverkäufer verzieht keine Miene.
Toll, jetzt haben wir den ganzen Weg hier hinaus gemacht und eigentlich ist es das nicht wert! Agra wird vollkommen überschätzt. Langsam dreht sich vor Hunger mein Magen um. Wir bestellen uns in einem Dachrestaurant gebratenen Reis und gebratene Nudeln, was im Endeffekt unerheblich ist. Beides ist extrem fettig und schwimmt in Öl: Lecker! Wir stochern in unserem Essen herum und lassen das meiste davon stehen. Ich hoffe, Maja ist nicht zu enttäuscht, ob dieses katastrophalen Tages. Der Taj Mahal war noch das Beste.
Der Bus, der uns zurück nach Agra bringt, bestätigt das Bild weiter. Ein klappriges Etwas mit drei Löchern im Boden direkt unter mir, die den Blick auf die Straße freigeben. Dazu brettert der Fahrer über Schlaglöcher und dreht, um das dröhnende Motorengeräusch zu übertönen, die Musik bis zum Anschlag auf. Mir schmerzen die Ohren. Maja kramt in ihrer Tasche und zaubert Ohropax hervor. Meine Rettung! So lässt sich die Fahrt überstehen.
Wir nehmen uns eine Rikscha vom Busbahnhof zum Hotel und kehren dort, nachdem wir uns frisch gemacht haben, noch mal zum Essen ein. Ich bestelle mir Daal und Chapati, Maja Cheese Naan. Aber so wirklich will es mir heute nicht schmecken. Morgen geht es weiter nach Varanasi.
Gutmenschen
Maja
»Maja, komm! Schneller!« Paul rennt fünf Schritte vor mir. Ich hetze in der Dunkelheit hinter ihm her und versuche, sein Tempo mitzuhalten. Wir rennen auf den Bahnhof zu und stürmen durch das Eingangsportal. Ich habe Seitenstechen. Mit einem eleganten Sprung hüpft Paul über die Taschen einer Großfamilie, die sich auf dem Bahnhofsboden ausgebreitet hat. Ich umrunde die Familie und falle noch weiter zurück. Paul erreicht das Gleis, auf dem sich der Zug bereits langsam ruckelnd in Bewegung
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