Sonne, Meer und Bea (German Edition)
haben wir auf der Dachterrasse Annika und Moritz getroffen. Die beiden sind schon länger auf Reisen.
»Wie war es denn in Rishikesh?«, wollte ich wissen. Dort haben sie ihre Rundreise gestartet, die sie über Nepal nach Bengalen und Varanasi führte. Jetzt sind sie auf ihrem Rückweg nach Delhi. Moritz begann weit auszuholen und versuchte, halb um Authentizität bemüht, halb als Stand-up-Comedian, die Stimmung zu beschreiben. Von den Ashramis und den ganzen Sinnsuchern, zu denen er ja nicht gehöre. Trotz meines lädierten Zustandes war ich ganz gesellig. Es gab ein, zwei Bier, die großen Flaschen Kingfisher, die bei mir ihre Wirkung entfalteten. Annika erzählte von ihren Varanasi Erlebnissen und fand es schade, dass wir uns nicht bereits dort getroffen hatten.
Ihre Erzählungen beschrieben eine Atmosphäre, die ich dort nicht verspürt hatte. Ich versuchte, die Story von der im Ganges badenden Silvie mit einzubringen. Moritz hörte mir aber nur mit halbem Ohr zu und fand es beeindruckend, dass unsere „Freundin“ so intensiv in die Stimmung eingetaucht sei. Ich glaube, wir redeten aneinander vorbei.
Stimmung und Atmosphäre, diese beiden Begriffe benutzten die beiden gerne. Ich fand aber, ihre Augen erzählten etwas anderes. So stimmig war das alles nicht, manches klang sehr übertrieben, manches aufgesetzt . Ich empfand den Abend aber als angenehm und Maja trank von meinem zweiten Bier sogar mit.
Erstaunlicherweise war sie heute Morgen auch vor mir wach. So sitzen wir auf der Terrasse in froher Erwartung auf unser Frühstück. Der Sinn steht mir noch immer nicht nach Indischem. Toast, Marmelade und Kaffee – damit müsste mein Magen zurechtkommen. Das Bier gestern ging doch erstaunlicherweise auch ganz gut. Diesmal versuche ich, den Tag mit ein paar aufgelösten Kohletabletten zu überstehen. Wer weiß, wie oft ich das Loperamid noch für Fahrten brauchen werde. Ich zwänge das Toastbrot in mich hinein. Der Kaffee ist Krümmelkaffee, »Nescafé«, wie die Bedienung stolz sagt, als ob das was Besonderes sei. Was gäbe ich jetzt für einen echten Filterkaffee, der den Bierdunst in meinem Kopf vertreibt und die Lebensgeister weckt. Ist nicht.
Maja ist heute Morgen sehr ruhig und auch mir ist es nicht nach großer Konversation. So sitzen wir uns wie ein altes Ehepaar am Frühstückstisch gegenüber, genießen die ersten Sonnenstrahlen, die sich über die staubige Landschaft erheben, und lassen uns bedienen. Heute wollen wir die Tempelanlagen besichtigen von denen Annika und Moritz so plastisch erzählt haben.
Maja
Nach dem Frühstück klopfen wir bei Annika und Moritz. Moritz macht wieder Witze, diesmal übers Packen und Weiterreisen, aber wirklich glücklich sehen heute Morgen beide nicht aus. So verabschieden wir uns lieber schnell und machen uns auf den Weg zu den Tempelanlagen. Gegenüber vom Eingang steht ein Mülleimer. Ich krame etliche benutzte Taschentücher und Keksverpackungen hervor und schmeiße alles gewissenhaft in die Tonne. Ein Polizist, der am Tempeleingang mit einem Gewehr zur Überwachung sitzt, steht auf und kommt herüber. Er beobachtet mich neugierig und scheint sich zu fragen, was die Europäerin dort mache. Ist das erlaubt? Müsse er da einschreiten? Nein, sie benutzt nur den Mülleimer. Aber dies ist für ihn wohl kein alltäglicher Anblick. Ich erkläre dem Polizisten, dass wir aus Deutschland kommen.
»Oh, I see«, nickt er anerkennend und scheint beeindruckt, oder vielleicht auch nur verwundert. Auf jeden Fall sagt er uns freundlich »Goodbye«, ehe er wieder seinen Platz einnimmt und wir die Tempelanlage betreten.
Die Tempel sind sehr eindrucksvoll und am spannendsten natürlich die expliziten Kamasutra-Szenen. Aber so sehr ich auch Ausschau halte, ein Pferd kann ich nicht entdecken. Aus meiner Tasche angle ich den Reiseführer. Dort ist das besagte Relief ebenfalls beschrieben und ich lese noch mal nach, an welchem der Tempel es zu sehen ist. Dennoch finden wir es einfach nicht und ich bin enttäuscht. Auch von Paul, der nur halbherzig beim Suchen hilft und an den Darstellungen kaum interessiert scheint.
Nach einer Weile entschließen wir uns, den Tempeln den Rücken zu kehren, ohne die Pferde-Szene gesehen zu haben. Wir schauen uns noch in Khajuraho um, aber außer weiteren Tempeln, auf die wir jetzt keine Lust mehr haben, und den obligatorischen Touristenläden gibt es hier nicht viel. Ich stöbere durch einen kleinen Shop, der Hippieklamotten anbietet, aber ich
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