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Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Titel: Sonne, Meer und Bea (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Christopher
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Zug zu betreten und unsere Plätze zu suchen, erhalte ich doch noch meine ersehnte Umarmung. Bea schmiegt ihren Kopf an meine Brust und streichelt mir zart über den Rücken. Einen Kuss bekomme ich nicht. Die Umarmung, die Maja erhält, ist länger und intensiver. Zum Schluss kramt Bea aus ihrer Tasche eine Box hervor.
    »Ich habe euch noch ein paar Süßigkeiten zusammenstellen lassen. Paul probiert doch gerne Neues.«
    Ich strahle innerlich. Sie hat an mich gedacht.
    »Das wäre doch nicht nötig gewesen«, antwortet Maja, als sie für mich die kleine Kiste annimmt.
    »Doch, doch! Dann könnt ihr noch ein wenig an mich und die süßen Momente denken.«
    Artig sage ich »Danke« und verschwinde im Zug.
    »Ich hoffe, wir werden uns irgendwann mal wiedersehen«, ruft Bea uns noch nach.

Maja
    Bea begleitet uns zum Bahnsteig. Zum Abschied überreicht sie uns eine Schachtel mit indischen Süßigkeiten. Ihre Geste rührt mich. »Ich werde dich in Erinnerung behalten«, sage ich ihr, als wir in den Zug steigen und von der Tür aus ein letztes Mal winken.
    Ich bin heilfroh, dass wir Bea jetzt hinter uns lassen! Erleichtert wende ich mich Paul zu. Er sieht traurig aus. Sehe ich eine Träne in seinen Augen glitzern? Ich weiß es nicht, schnell schaut Paul weg und geht voran, um unsere Plätze zu suchen. Wir finden sie in der Mitte des Wagens. Nicht zu übersehen, denn es sind die beiden einzigen, die noch nicht belegt sind. Als wir darauf zusteuern, huscht eine braune Kakerlake über das Polster.
    »Nein«, schreie ich auf. »Das kann nicht wahr sein! Bitte Paul, mach, dass das nicht wahr ist!« Aber es ist wahr. Unser Zug ist kakerlakenverseucht.
    Vor lauter Enttäuschung und Entsetzen kommen jetzt mir die Tränen. Ich verharre auf der äußersten Kante meines Sitzes, beobachte die Kakerlaken, die über den Boden und unsere Bänke flitzen, und versuche ruhig zu bleiben. Paul ist über die Kakerlaken ebenfalls nicht erfreut, aber er sieht es pragmatisch und ist mir keine Hilfe:
    »Komm Maja, daran können wir nichts ändern. Da müssen wir durch.«
    »Na super«, zische ich ihn an. »Und wie soll ich hier bitte schlafen? Wenn mir ständig Kakerlaken übers Gesicht krabbeln?«
    Darauf weiß Paul nichts zu erwidern und tätschelt nur kurz mein Knie. Die indische Großfamilie neben uns schaut verständnislos hinüber und lästert offensichtlich über uns. Wahrscheinlich kann sie nicht verstehen, warum die Europäerin ihrem Mann eine tränenreiche Szene macht, in aller Öffentlichkeit.
    Die beiden indischen Frauen legen dabei seelenruhig ihre kleinen Kinder schlafen, auf die Pritschen, die dutzenden Kakerlaken als Rennstrecke und Sprungschanze dienen. Ich glaube, sie sehen die Tiere gar nicht. Vielleicht kann man das mit Fliegen bei uns vergleichen, die sehe ich in Deutschland auch nicht als störend an. Aber Kakerlaken? Wenn ich mir vorstelle, meine Kinder in einem Zug schlafen zu legen, in dem Kakerlaken über ihre kleinen Körper laufen … Nein, da wird mir ganz anders!
    Als alle vier Kinder ruhig liegen, möchte einer der Männer das Licht in dem schmalen Gang zwischen uns löschen. Ich protestiere und versuche ihm klar zu machen, dass ich durchdrehen würde, wenn es ganz dunkel sei. Aber er versteht kaum Englisch und sagt nachdrücklich: »Sleep, sleep!« Dann drückt er den Schalter. Ein Albtraum! Paul meint nur: »Lass uns auch hinlegen. Wird schon nicht so schlimm sein, jetzt siehst du die Tierchen ja nicht mehr.«
    Versteht denn keiner, dass es umso schlimmer ist, wenn man nicht genau weiß, wo die Viecher lang krabbeln? Paul inspiziert mein oberes Bett, kann aber nichts entdecken. Na eben, es ist ja auch dunkel! Ich habe keine andere Wahl und klettere hinauf. Mit mulmigem Gefühl lege ich mich hin. Mein korallenfarbenes Tuch ziehe ich mir so vor das Gesicht, dass ich zumindest nicht befürchten muss, dass mir Kakerlaken über den Mund krabbeln werden. An meiner Hand habe ich allerdings eine gespürt.
     

Kapitel 4
Romantik, mehr nicht
     

Bewährungsfrist
Maja
    Überraschenderweise bin ich eingeschlafen. Ich träumte von einer Riesenkakerlake, die in meinen Mund krabbelt. Sie war jedoch so groß, dass sie auf halbem Wege stecken blieb.
    Am Morgen erwache ich mit Bauchschmerzen, die von meiner Periode künden. Stimmt, ich bin heute dran, das hatte ich im Trubel der letzten Tage ganz vergessen. Auch das noch, ausgerechnet im unpassendsten Moment. Ich nehme meinen Mut zusammen und klettere im Dunkeln auf den Zugflur.

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