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Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Sonne, Meer und Bea (German Edition)

Titel: Sonne, Meer und Bea (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Christopher
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traurig, wenn ich nicht alles zu sehen bekomme.
    Während wir unsere Kindheitserfahrungen austauschen, bemitleiden wir uns gegenseitig.

Maja
     Ein wenig habe ich Bammel vor der erneuten Nachtzugfahrt, aber die Freude überwiegt. Es geht schließlich nach Goa. Mein Onkel war Anfang der 70er Jahre einige Monate dort und schwärmt mir, seit ich klein bin, von den malerischen Stränden, der lockeren Atmosphäre und den interessanten Menschen vor. Wahrscheinlich hat er alles in so guter Erinnerung, weil er dort meine Tante kennengelernt hat. Ich bin sehr gespannt, inwieweit Goa noch seinen Erzählungen entspricht und wie viel vom Hippie-Spirit heute noch übrig sein wird.
    Passend zur Fahrt nach Goa treffen wir auf dem Bahnsteig eine Gruppe Hippies. Etwa acht Leute mit langen Haaren, zerschlissenen bunten Klamotten und teilweise barfuß, hocken neben ihren Rucksäcken in einem Kreis auf dem Boden.
    Paul macht sofort seine Witze und im Normalfall wäre ich sicher mit eingestiegen. Aber heute ist es anders. Ich mag nicht, wie Paul sich über die »Alternativen« erhebt. Ich selbst bin sicher kein Hippie, verstehe die Idee von Freiheit, selbstbestimmtem und selbstversorgtem Leben allerdings durch meine Familie gut. Meine Eltern haben mich in diesen Idealen erzogen, aber trotzdem sind und waren wir keine Hippies (okay, bis auf meinen Onkel), sondern ganz normale Ökospießer, mit großem Gemüsegarten, Komposthaufen, vegetarischer Ernährung und Holzspielzeug. Den Begriff der Freiheit haben meine Eltern eher im Kleinen gesehen. Flugreisen und Autofahrten waren in der Ideologie nicht vorgesehen.
    Ich hingegen bin ganz pragmatisch geworden und stelle meinem persönlichen Freiheitsdrang keine Überzeugungsmauern entgegen. Wenn es eines Flugzeuges bedarf, um nach Indien zu kommen, ich bin dabei! Aber über alternative Lebensformen lästern, das kann ich nicht, dafür habe ich mir als Kind zu viele blöde Sprüche anhören müssen. Da muss ich diese Gruppe vor Paul auch mal in Schutz nehmen!
    Meine Einstellung ändert sich im Zug allerdings schnell. Ganz un-Hippie-like schotten sich die Möchtegern-Alternativen von uns übrigen Mitreisenden komplett ab. Sie widmen sich nun ihrem technischen Equipment, fotografieren und filmen alles. Sie verwenden dabei die neusten Geräte und sehen alles nur durch einen Bildschirm, statt die Erlebnisse im Zug mit ihren eigenen Augen wahrzunehmen. Und nicht nur einer, nein alle haben irgendeine Kamera in der Hand. Wahrscheinlich stellen sie ihre Fotos jetzt in ihrem Privatabteil via Smartphone der Welt zur Verfügung, posten die Bilder in ihren Blogs oder bei Facebook. Ich bin entsetzt. Nein, das sind wahrlich keine Hippies! Nicht einmal ein kleines Hasch-Wölkchen weht zu uns. Als es dunkel wird, verhängen sie „ihr Abteil“ blickdicht mit Tüchern und beginnen völlig unentspannt „Kalinka“ in zig Versionen zu spielen. Vielleicht versuchen sie gerade ein perfektes Musikvideo aufzunehmen. Ich gebe meine Verteidigungshaltung auf und ziehe mit Paul wieder meinen Spaß aus der Vielfalt an Indienreisenden. Heute sind die 1A-Pseudohippies dran!
    »Die denken wohl, ihre Tücher seien nicht nur blick-, sondern auch schalldicht. Sind sie aber nicht!«, beschwert sich Paul.
    Nach dem zehnten Mal „Kalinka“ hat der Schaffner ein Erbarmen und stoppt das kostenlose Konzert, sehr zum Wohlgefallen von uns und den anderen Mitreisenden.
    »Hippies«, murmelt Paul vor sich hin.
    »Paul, das hatten wir schon!«
    »Ich meine ja nur«, gibt er kleinlaut von sich.
    Schließlich sind das ja gar keine Hippies. Das muss mein Freund auch mal erkennen.

Paul
    Der Zug hält. Verschlafen schaue ich aus dem Fenster: Madgaon. Ich schrecke auf und wecke Maja.
    »Schnell Maja, wir sind da.«
    »Was? Wie spät ist es denn?«
    Ich schaue auf meine Uhr: »Bei mir ist es 5:20 Uhr. Nach meinem Plan sollte der Zug heute aber erst um 6:10 Uhr ankommen.«
    »Das hatten wir doch erst«, wundert sich Maja.
    Unsere Hektik weckt einen Mitreisenden auf, der in der Nacht in Mangalore zugestiegen ist. Er sieht aber nicht erbost aus. Er schaut aus dem Fenster und bestätigt: »Madgaon, Madgaon.«
    Wir verabschieden uns nett und steigen, in der Hoffnung alles gepackt zu haben, aus. Es ist ruhig am Bahnhof, kaum jemand verlässt den Zug oder steigt ein. Um uns erst einmal zu sammeln, stellen wir unser Gepäck ab und setzen uns auf eine Bank.
    »Aber wir sind richtig hier?«, fragt mich Maja verunsichert.
    »Ja, alles in Ordnung. Unser

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