Sonne, Schnee und Tote
worden, sich unerwartet auf
der anderen Seite des Mikrofons wiederzufinden. Es reizte ihn, sie noch ein
wenig länger auf diesem Platz festzunageln, aber weil er für seinen Geschmack
schon zu viel Zeit mit unnötigem Smalltalk und dem gerade entstehenden
Wortgeplänkel verbracht hatte, beendete er die Diskussion in konsequenter
Bloemberg-Manier und sagte:
„Nun,
Niandee. Seien Sie sicher, ich höre zu, sehr gut sogar.“
Er
unterbrach sich, um einen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen. Über eine halbe
Stunde saß er mittlerweile hier und er war nicht zum Streiten hergekommen.
Langsam wurde es Zeit, zum eigentlichen Grund dieses Theaters zu kommen.
„Sie
haben mich gebeten, mich mit ihnen zu treffen. Da bin ich. Was haben Sie mir
mitzuteilen?“
„Sie
sind offenbar ein sehr springfreudiger Typ, Inspecteur“, sagte Niandee und der
Blick, den sie ihm dabei zuwarf, war unübersehbar enttäuscht.
„Keineswegs“,
brummte er und gab sich sachlich. „Ich gebe dem Gespräch nur die Richtung, die
es nehmen sollte.“
Niandee
fuchtelte mit den Händen durch die Luft, konnte sich einen Moment nicht
zwischen Trinken und Rauchen entscheiden, griff dann endlich nach den
Zigaretten und steckte sich eine weitere an.
„Sie
verwirren mich, Inspecteur.“
„Das
ist nicht meine Absicht. Möchten Sie dann anfangen?“
„Es
ist so …“, begann sie, nachdem der Rauch des letzten Zuges durch ihre Nase
entwichen war.
„Wenn
ich das richtig verstanden habe, glauben Sie, Karim hat sich aus dem Staub
gemacht, nachdem er jemanden im Kühlhaus am Wilhelmina-Pier ermordet hat,
richtig?“
„Nicht
ganz. Wir gehen bisher davon aus, dass er tatverdächtig sein könnte und deshalb
noch am Samstag vorsätzlich untergetaucht ist. Ob er etwas mit dem Mord zu tun
hat, ist reine Spekulation und mit Glauben, Niandee, hat das sowieso nichts zu
tun.“
„Besserwisser“,
seufzte sie. „Wollen Sie jetzt hören, was ich zu sagen habe oder legen Sie
lieber weiterhin jedes Wort, das ich von mir gebe, auf die Goldwaage?“
„Ich
höre.“
„Also
… Sie sind ganz schön anstrengend, wissen Sie das?“
„Meine
Kollegen behaupten das auch ständig. Ich habe keine Ahnung, woher das kommt.
Also?“
„Nach
unserem ersten Gespräch gestern habe ich darüber nachgedacht. Und, naja, ich
will nicht sagen, dass Karim und ich uns sehr nahe standen, aber wir waren gute
Bekannte.“
„Wie
gut?“
„So
gut, dass wir uns ungezwungen unterhalten konnten, wenn wir uns über den Weg
gelaufen sind.“
Sie
druckste ein wenig und gestand, als Kees eine Augenbraue hob:
„Okay,
vor ein paar Wochen sind wir auch mal einen Kaffee trinken gewesen, aber das
war es. Wir kennen uns, seit er mit seiner Großmutter in die Wohnung gegenüber
eingezogen ist. Das ist … müssten mittlerweile zwei oder drei Jahre sein.
Worauf ich hinaus will: Ich habe ihn freitags nach Feierabend im Treppenhaus getroffen
und er hatte nichts Besseres zu tun, als mich einzuladen. Er war ganz
aufgedreht, geradezu übereuphorisiert und wollte mir weder sagen wann oder wozu
noch wohin, aber seine Augen leuchteten, während er mich fragte. Ich war müde
von der Arbeit und habe ihm gesagt, er sei ein Spinner und nicht mein Typ. Auf
ein Date mit ihm wollte ich mich nicht einlassen. Davon ließ er sich aber nicht
beeindrucken und blieb hartnäckig. Minutenlang hat er mich quasi angebettelt.
Irgendwann hatte er mich so entnervt, dass ich, unter der Voraussetzung, dass
es ausdrücklich kein Rendezvous werden würde, eingewilligt habe. Er war ganz
aus dem Häuschen, hat sich tausendmal bedankt und dann ist er ohne ein weiteres
Wort verschwunden. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen und mir ehrlich
gesagt auch weiter nichts dabei gedacht. Bei dem Stress der letzten Tage hatte
ich es fast wieder vergessen.“
Kees
runzelte die Stirn. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was an
dieser Information so wichtig war, dass er dafür persönlich mit ihr sprechen
musste. Das klang eher nach privaten Ausschweifungen, die uninteressant für
seine Ermittlungen waren. Schade, er hatte wirklich gedacht, sie würde ihrer
direkten Art treu bleiben, jetzt jedoch fing sie an zu schwafeln.
„Und?“,
fragte er wenig überzeugt und sie schien seine Gedanken erraten zu haben.
„Ich
weiß, das hört sich an wie: Blabla, aber ich habe heute Post bekommen.“
Sie
griff nach der Tasche, suchte darin herum und zog einen Fensterbriefumschlag
heraus.
„Das
hier, war heute im
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