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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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scharfzüngiger und eigensinniger Kollege. Seine
Methoden stoßen bei Vorgesetzten selten auf Verständnis und gehen häufig über
den Grad des dienstlich Zulässigen hinaus. So wurde unserer Zeitung
beispielsweise bekannt, dass er sich regelmäßig ohne Genehmigung außerhalb seines
Dienstradius bewegt, vom Steuerzahler finanzierte Fahrzeuge leichtsinnig
beschädigen lässt oder nach eigenem Gutdünken Zeugen befragt, wenn man in
diesen Fällen überhaupt von Befragung reden kann. Beispielsweise setzte der
Ermittler vorgestern einer alten Dame im Rotterdamer Bezirk Feyenoord verbal
dermaßen zu, dass diese danach (mit Verdacht auf Herzinfarkt) in ein
Krankenhaus gebracht werden musste.
    Angesichts
dieser erschreckenden Tatsachen kommt zwangsläufig die Frage auf: Ist das
wirklich die Zukunft oder vielmehr das Ende des niederländischen Polizeiwesens?
    Dies
zu beantworten fällt umso leichter, wenn man sich überdies die Vergangenheit
des Mannes anschaut, dem nun erstmalig die Leitung der Mordaufklärung zugeteilt
wurde. Bekannt ist, dass auf Bloembergs eigener Dienststelle ein archivierter
Ordner mit mindestens einem Dutzend protokolierten Jugendstraftaten liegt, zu
denen Diebstahl, Körperverletzung und Drogendelikte zählen. Außerdem wurde
jüngst bekannt, dass der Spross aus zerfahrenen Familienverhältnissen, um einer
Gefängnisstrafe zu entgehen, jahrelang am bis heute kritisch beäugten und
mittlerweile eingestellten Sozialisierungsprogramms für Jugendliche, des ehemaligen Jugendamtsleiters Bert van Helig teilnahm.
Pikant daran ist vor allem, dass auch das Mordopfer vom Wilhelmina-Pier, Namir
H., über zwei Jahre an diesem Programm partizipierte, ehe die Behörden
reagierten und dem Jungen eine ordentliche Familie fanden, die den Jungen
adoptierte.
    Kann
und muss man nicht, allein wegen dieser Verbindung, von Befangenheit des
Ermittlers sprechen? Denn das würde diesen zwielichtigen Beamten endgültig und
absolut untragbar für die Tätersuche machen.
    Am
Ende bleibt jedem selbst überlassen, daraus die passenden Schlüsse zu ziehen,
eines steht jedoch fest: Die bisherige Arbeit des „Superinspecteurs“, wie er
sich selbst gerne nennt, ist alles andere als eines Lobes wert.
    Ordentliche
Polizeiarbeit wurde in den wichtigen ersten Tagen seit dem Mord mit Füßen
getreten oder einfach vernachlässigt. Stattdessen herrscht Chaos und das nutzt
vor allen Dingen dem, der am letzten Wochenende am Kop van Zuid einen
unschuldigen jungen Mann tötete und weiterhin auf freiem Fuß wandelt.
    Allen
guten Hoffnungen zum Trotz muss man eingestehen, dass mit Leuten wie Kees
Bloemberg im staatlichen Dienst am Horizont die Apokalypse des niederländischen
Polizeiapparates heraufzieht. Und das wiederum wirft zwei letzte Fragen auf:
    Wie
motiviert geht ein ehemals Krimineller bei der Tätersuche vor?
    Und
wenn Täter anfangen, Täter zu jagen, wer kann dann am Ende noch ruhig schlafen ?
    Die
Antworten darauf möge jeder selbst finden. Ich jedenfalls gehe in Zukunft mit
offeneren Augen durch unsere Straßen.
    Hinweis:
Auf Seite 12 der heutigen Ausgabe finden Sie eine chronologisch angeordnete Aufzählung
aller bisher geschehenen Fauxpas zum Mordfall am Wilhelmina-Pier. dv
     
    ***
     
    Kees
senkte die Zeitung. Sein Herz pulsierte heftig. Kalte und heiße Schauer liefen
ihm abwechselnd den Rücken rauf und runter. Er spürte, wie das Blut in Kopf und
Ohren schoss. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, dahinter schien
sein Gehirn zu glühen. Eigentlich, das glaubte Kees zumindest von sich selbst
zu wissen, hatte er sich nie etwas daraus gemacht, was Leute über ihn dachten
oder erzählten. Er war auch bis dahin nie wichtig oder öffentlich genug
gewesen, um überhaupt in irgendeiner medialen Form Erwähnung gefunden zu haben.
Dieser Artikel jedoch, diese Zeilen und jeder einzelne Satz darin, war ein
Angriff, eine Spitze nach der anderen, gerichtet gegen ihn und seine Art zu
arbeiten. Und in diesem Moment erkannte er, dass ihm das doch näher ging, als er sich jemals eingestanden hätte. In ihm brodelte die
gefährliche Mischung aus Wut und verletztem Stolz, die nur schwerlich unter
Kontrolle zu halten war. Er knüllte die Zeitungsseiten zwischen seinen Fingern.
Sie zitterten. Unter einiger Selbstbeherrschung vermied er es, das Papier in
kleine Fetzen zu zerreißen, sich danach auf den Weg zum Verfasser dieser Ansammlung
voller Bullshit zu machen, um Auge in Auge Klartext zu reden, wenn nötig
auch mit den Fäusten.

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