Sonne, Schnee und Tote
alles gut gegangen, wäre Namir
nicht auf dumme Gedanken gekommen. Der Plan war von Anfang an zum Scheitern
verurteilt. Mit den Mexikanern treibt man kein Schindluder. Die sind zu allem
fähig und kennen keine Gnade. Mädchen, du hättest dich da raushalten sollen.
Nachdem Namir umgekommen und Karim aufgeflogen war, hättest du es besser wissen
müssen. Aber du bist hier und willst dir das Zeug unter den Nagel reißen, das
Karim hier unten in Sicherheit gebracht hat. Da gibt es nur ein kleines
Problem, der Einzige, der derzeit weiß, wo sich die zwanzig Kilo Schnee
befinden, bin ich und du wirst nicht mehr lang genug leben, um das zu erfahren
… Was?...“
Aus
dem Hintergrund legte jemand dem alten Mann die Hand auf die Schulter. Ein
durchdringendes Klicken war zu vernehmen, gleichzeitig wurde Nasridims Kopf
nach vorn gedrückt.
„Sie
vielleicht nicht, aber wir schon, pinche Bobo . Die Waffe weg!“
Nasridim,
zu überrascht, um anders zu reagieren, lies den Arm sinken und wurde unsanft
nach vorne geschubst. Hinter ihm trat ein kräftiger Kerl in Jeans, weit
ausgeschnittenem weißen T-Shirt und Turnschuhen in den Raum. Das Haar war
lockig, zog sich hinunter bis zu den Schläfen und ging dort in einen krausen
Vollbart über. Um den Hals hing eine Goldkette. In der ausgestreckten Hand
führte er einen silbernen Colt.
„Du
dachtest, nachdem du einen von uns umgelegt hast, wärest du uns los oder, Puta ?
Aber so einfach ist das nicht, Hadosh.“
Hadosh
drehte sich langsam um, sodass er Kees den Rücken zuwandte und dieser nur noch
den kahlen Hinterkopf des alten Mannes sah. Den selbstzufriedenen Ton seiner
Stimme erkannte Kees jedoch auch, ohne in dessen Gesicht blicken zu müssen.
„Ist
es das nicht? Ich denke schon, Rogelio. Was willst du denn tun, wenn ich es dir
nicht verrate? Mich erschießen? Wohl kaum. Dein Leben hängt genauso davon ab
wie meins. Wir sitzen alle im selben Boot. Also, was wirst du jetzt tun, großer Pistolero ?“, fragte Nasridim und ließ jeden Satz in reiner Genugtuung
wirken.
Der
Kerl, den Hadosh Rogelio nannte, ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er
schob sich vollends in den Raum, während das irre Grinsen zweier gelber
Zahnreihen zwischen seinem Bart hindurchstach.
„Wenn
du es nicht tust, wird niemand diesen Raum lebend verlassen.“
„Das
sehe ich ähnlich“, konterte Hadosh, hob langsam den Waffenarm und legte an.
Hinter
Rogelio erhaschte Kees Bloemberg, der seit einer ganzen Weile nur noch
Zuschauer in einer unwirklich anmutenden Seifenoper zu sein schien, den Blick
auf eine schnelle Bewegung im Türrahmen.
„Die
Waffe fallen lassen!“, dröhnte eine Kees völlig unbekannte Stimme. Den
Bruchteil eines Augenblickes später ragte zuerst eine Pistole dann ein Arm und
schließlich die dazugehörige Person durch die Tür. Sie drückte Rogelio den Lauf
ins Genick und machte noch einen Schritt nach vorne, sodass ihr Gesicht
vollends ausgeleuchtet wurde. Kees brauchte einen Augenblick, dann erinnerte er
sich an den Mann mit den markanten Gesichtszügen und der schiefen Nase. Montags
hatte er einen grauen Baumwollpullover und Jeans getragen, jetzt steckte er in
einem schwarzen Anzug, den Bart abgesehen von den Stoppeln auf der Oberlippe
säuberlich getrimmt und das schwarze Haar in der Mitte gescheitelt.
Hadosh
schnalzte mit der Zunge. Das Blatt hatte sich erstaunlich schnell zu seinen
Gunsten gewendet.
„Hast
du wirklich gedacht, ich mache die gleichen Fehler wie ihr
chilifressenden Tequilaköpfe und ziehe das hier allein durch? So wie
euer Freund Ruben? Das ist mein Sohn, Ikbar. Ich glaube, du hast ihn bereits
kennengelernt.“
Rogelio
war nur kurz irritiert, so kurz, dass trotz der Pistole im Nacken nicht einmal
das Grinsen aus seinem Gesicht wich und er sich einfach weigerte, Ikbars Befehl
zu folgen. Der Lauf des silbernen Colts blieb auf Hadoshs Stirn gerichtet. In
der Ecke wimmerte Fatmanour. Neben Kees scharrte Niandee angespannt mit den
Füßen auf dem Boden, dahinter stöhnte der mehr tot als lebendig an der Wand kauernde Karim. Kees stand gut einen Meter hinter Nasridim
und vergrub die Hände in den Taschen seines grauen Regenmantels. Der Raum
füllte sich zusehends und viel mehr Platz gab es nicht. Eine abgefeuerte Kugel
konnte schnell abgelenkt werden und quasi jeden hier treffen. Es war eine Todesfalle ohne Ausweg und nur schwer zu akzeptieren,
dass dies die letzte Etappe eines beispiellosen Absturzes war, den Kees binnen
einer Woche hingelegt hatte
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