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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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neben seinem Vater
weilte, stand Namir etwas abseits hinten rechts und machte ein Gesicht, als
habe man ihn in den Anzug, den er trug, hineingezwängt.
    Kees
beugte sich hinunter und streckte seine Hand nach dem Foto aus. Die Ereignisse
des heutigen Tages machten daraus zweifelsohne eine traurige Erinnerung.
    Der
Inspecteur wusste, wie es war, jemanden aus dem innersten Familienkreis zu
verlieren. Mit sechzehn hatte er seine Mutter verloren. Eine Überdosis
Schlaftabletten erlöste sie damals von der ständigen Gewalt und den
Wutausbrüchen seines Vaters, nahm Kees aber gleichzeitig die letzte Stabilität
im Leben …
    Verdomme!
Du bist an einem Tatort. Sentimentalität ist was für Schwächlinge.
    Kees
spürte den tiefen Stich, den die aufkommenden Erinnerungen in seine Brust
bohrten, ließ aber nicht zu, dass sie weiter an die Oberfläche drangen. Er
hatte seit der Trennung von Miriam wahrlich genug Gefühlschaos durchlitten . Es machte keinen Sinn, zusätzlich längst
Überstandenes wieder an sich heranzulassen.
    Behutsam
nahm Kees Hadoshs Familienbild aus dem zersprungenen Rahmen, ging zu dem
versteinert wirkenden Fleischfabrikanten und gab es ihm.
    „Ist
ein schwerer Tag für Sie, Nasridim Hadosh. Ich habe genug gesehen“, sagte er.
Hadosh nickte ihm müde zu, hielt das Bild zwischen seinen zitternden Fingern,
schaute jedoch nicht einmal darauf.
    „Was
jetzt?“, fragte er und steckte das Foto in die Innentasche seines Jacketts, als
wollte er es schnellstmöglich aus seiner Wahrnehmung verschwinden lassen.
    „Ich
bespreche mich mit meinen Kollegen, dann sehen wir weiter. Ich werde vermutlich
eine Zeugenbefragung mit Ihnen durchführen müssen, aber nicht jetzt. Ich
vermute: Das Delete-Team wird bald hier sein und für Ordnung sorgen.“
    „Das Delete-Team ?“
    „Die
Tatortreinigung.“
    „Verstehe.
Was soll ich unterdessen tun? Und wieso Zeugenbefragung? Ich habe Van Houden
alles gesagt“, fragte Hadosh in trockener Gleichgültigkeit. Die Art und Weise,
wie er das über die Lippen brachte, verblüffte Bloemberg und ließ ihn mit einer
Antwort zögern. Er meinte, einen unzufriedenen Unterton aus der Stimme des
Fleischers herausgehört zu haben.
    Dir
geht das wohl alles nicht schnell genug?
    Kees
musterte ihn intensiv, vermochte aber nicht durch die verbitterten Züge des
Mannes zu blicken.
    Entweder
ist er ein harter Hund oder der Schock sitzt noch zu tief , dachte er und sagte dann: „Ruhen Sie
sich aus. Wenn Sie möchten, können wir einen Polizeipsychologen auftreiben und
…“
    „ Behim! Verdammt noch mal! Ich will nicht rumsitzen oder mit einem Seelenklempner
reden. Ich will wissen, wer das Chaos hier angerichtet hat!“
    Bloemberg
hob beide Hände und machte ein ernstes Gesicht. Er wusste nicht, was er darauf
antworten sollte. Es war ohnehin schwierig mit Hadosh zu reden, denn: Was sagte
man einem Mann, der seinen Sohn auf solch abscheuliche Weise verloren hatte?
    Kees
fiel auf die Schnelle nichts Tröstliches ein.
    „Das
wollen wir alle“, sagte er deshalb nur.
    Die
beiden starrten sich sekundenlang an, ohne dass ein weiteres Wort fiel.
    Schließlich
senkte Nasridim Hadosh den Kopf.
    „Verzeihung,
ich kann nur nicht glauben, dass …“, mehr brachte er nicht mehr über die
Lippen. Er kehrte Bloemberg den Rücken zu und ging tief gebeugt den Flur
hinunter.
    „Und
wie komme ich hier jetzt wieder raus?“, rief Kees ihm hinterher, aber da war
Hadosh längst durch die nächste Zwischentür des langen Flurs verschwunden.
Scheppernd fiel sie hinter ihm zu.
    Der
Inspektor folgte ihm. Seine Schritte hallten leise auf dem Boden und wurden von
den blanken Wänden zurückgeworfen. Eins stand fest, der Mann legte es nicht
darauf an, dass sich seine Mitarbeiter besonders wohl in diesem Gebäude
fühlten. Die Flure hier hatten unangenehme Ähnlichkeit mit jenen in den
Strafvollzugsanstalten im Großraum Rotterdam.
    Hinter
der Tür wartete ein weiterer langer Gang mit noch mehr Türen. Außerdem kreuzte
ein anderer mittig und verschwand in den Tiefen des Gebäudes. Auf der anderen
Seite kennzeichnete ein Schild den Zugang zu einem Treppenhaus, das in die
oberen Etagen des Gebäudes führte.
    Ein
verdammtes Labyrinth ist das, dachte Bloemberg, machte noch ein paar Schritte und blieb letzten Endes ratlos
auf der Kreuzung stehen. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und konnte
es kaum fassen.
    „Wenn
alle Banken so aussähen, gäbe es eine Menge Bankräuber, die allein beim
Versuch, den Tresorraum zu

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