Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
er noch viel Zeit hatte und bestimmt einige
Chancen bekommen würde.
    Das
Länderspiel war eben abgepfiffen worden und Dick, der einen Fünfziger auf die
Elftal gewettet hatte, hatte sich die wenigen blonden Haare gerauft und laut
durch den Raum geflucht. In allerletzter Minute war den Duitsen ein
Elfmeter zugesprochen worden und den hatten sie natürlich prompt zum Endstand
von 2:3 verwandelt. Jetzt, nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte,
schweifte sein Blick über die Dächer des Hotel New York hinüber zum World
Port Center , klebte für einige Sekunden auf der wenig befahrenen Erasmusbrug und glitt schließlich über die angrenzenden Gebäude.
    Zunächst
fiel ihm die Ansammlung einiger Autos in einer Seitenstraße gar nicht oder nur
unterbewusst auf. Als sein Blick die Szene wenig später jedoch ein weiteres Mal
streifte, erkannte er aus der Entfernung zwei Streifenwagen und einen grauen
Lieferwagen. Selbst das schien nicht wert, genauer betrachtet zu werden und so
machte Dick keine Anstalten, sich das genauer anzuschauen. Er war müde,
gelangweilt und außerdem angefressen, wegen des verlorenen Geldes und der Story
in Feyenoord, die ihm durch die Lappen gegangen war.
    „Vermutlich
irgendein mieser Kleineinsatz, für den wieder Steuergelder verschwendet
werden“, grummelte er und wollte sich wieder dem Telefondienst widmen.
    Als
jedoch in der nächsten Sekunde ein schwarzer Mercedeskombi vorfuhr, den
Vanderloh trotz großer Entfernung eindeutig als Leichenwagen zu identifizieren
vermochte, wurde er hellwach.
    „Nanu,
Dick Vanderloh, du Trottel, wenn das mal nicht nach Mord aussieht“, sagte er
und rieb sich sein untersetztes Kinn. Einen Moment lang grübelte er über die
eigenen Worte, bis endlich der Groschen fiel. Abrupt stand er auf und
überlegte, ob er Claas Routen, den Chefredakteur, benachrichtigen sollte. Er
griff nach dem Telefon, entschied sich dann aber instinktiv dagegen. Etwas
sagte ihm, dass dies seine Story werden würde. Die Erlaubnis des Vorgesetzten
musste er dafür sicher nicht einholen. Hastig schaute er noch einmal aus dem
Fenster. Die Streifenwagen waren beiseite gefahren worden. Der Leichenwagen
nutzte die entstandene Lücke, um in die Seitenstraße einzubiegen. Von anderen
Journalisten fehlte jede Spur. Wenn er sich beeilte, würde er es sicher noch
rechtzeitig schaffen.
    Das
ist gut, sehr gut ,
dachte Dick, schnappte sich die notwendigen Utensilien und seine
Spiegelreflexkamera.
    Einige Minuten
später stand er vor dem Montevideo und hetzte den Otto-Reuchlingweg hinunter; immer in Richtung des Verbrechens.
    Dick
benötigte knapp eine viertel Stunde, bis er die Seitenstraße erreicht hatte. Der
Atem des kleinen, schmächtigen Journalisten, der trotz körperlicher
Hänflinghaftigkeit einen ansehnlichen Bauchansatz mit sich herumtrug, rasselte
und er musste sich kurz an einem in der Nähe stehenden Laternenpfahl abstützen.
Kreislauf und Asthma spielten ihm bei dem Wetter ständig böse Streiche und
knipsten ihm manchmal für Sekunden das Licht aus.
    Vanderloh
wankte und sah blitzende Lichtpunkte vor Augen, schaffte es jedoch in der
Vertikalen zu bleiben und fing sich wieder.
    Augenblicke
später streckte er das Hohlkreuz durch, danach griff er mit der freien Hand in
seine Tasche und machte die Kamera bereit. Er pustete noch einmal durch, dann
näherte er sich - einer koordinativ minderbemittelten Raubkatze gleich - den
beiden Polizeiautos. Er konnte sein Glück kaum fassen, hier sorgte nicht einmal
ein Surveillant dafür, dass sich niemand unbefugt näherte.
    Umso
besser , dachte er.
    Einen
Finger immer auf dem Auslöser schoss er die ersten Bilder, ehe er die Straße
überquert und die beiden Streifenwagen erreicht hatte.
    Doch
die Freude über sein unbehelligtes Treiben währte nur kurz, denn als er an der
improvisierten Straßensperre angelangt war, traten sofort zwei Männer aus einem
kleinen Restaurant am Ende der Straße und bewegten sich direkt auf ihn zu. Er
konnte sich der Befürchtung nicht erwehren, dass es sich dabei um zwei
Polizisten in Zivil handelte, die ihn gesehen hatten und nun dafür Sorge tragen
würden, dass er sich schleunigst entfernte.
    Dick
wusste, wie unerfreulich brutal die Polizei in den eigenen Angelegenheiten sein
konnte. Zwei Kameras hatte er im Laufe der letzten Jahre dadurch verloren und
sich einmal sogar ein blaues Auge eingehandelt. Natürlich hatte er, nicht
zuletzt auf den Rat einiger Kollegen hin, geklagt, aber das Verfahren war

Weitere Kostenlose Bücher