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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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noch unerträglich helles, brennendes Weiß. Und dann hörte
er sie wieder, die Stimme. Ganz dicht bei seinem Ohr. Er wollte den Kopf nach
ihr umdrehen, aber er konnte sich nicht bewegen. Seine Muskeln waren steif
gefroren.
    „Karim.
Karim Abusif, bist du wach?“
    Karim
kannte die Stimme, aber noch immer kam er nicht darauf, von wem sie stammte.
Fakt war: derjenige erwartete eine Reaktion, und wenn Karim diese nicht
zustande brachte, wäre dies ganz gewiss sein Ende. Nur, bewegen konnte er sich
nicht mehr. Er brauchte die Hilfe dieses Menschen, der eben jetzt ganz nah bei
ihm stand, und so versuchte er zu antworten.
    Ja,
ich bin wach , ging es
ihm durch den Kopf, aber abgesehen von einem schwachen Zittern der Unterlippe,
brachte er nichts hervor.
    „Ich
sehe schon“, sprach die Stimme unverhohlen weiter, „starke Unterkühlung,
Erfrierungen. Du armer Hund. Wieso musstest du dich auch mit den Falschen
einlassen? Dir hätte so viel erspart bleiben können.“
    Es
klang nicht besonders mittleidig oder persönlich, eher sachlich feststellend,
so wie ein Arzt, der bei einem Patienten eine Diagnose aufstellt. Karim spürte
einen leichten Druck auf seiner Schulter. Es fühlte sich an wie ein
beruhigendes Tätscheln, nahm jedoch schnell an Kraft zu. Ein heißer Schmerz
fuhr plötzlich durch seine Schulter und sein Körper wurde auf den Rücken
gerollt.
    „Sachte,
sachte. Der Schmerz lässt gleich nach. Es ist nur …“
    „Die
Polizei ist im Anmarsch, wir sollten gehen“, unterbrach eine zweite Stimme aus
weiter Ferne. Der Druck auf Karims Schulter ließ abrupt nach und auch das
Ziehen wich langsam.
    „Ist
gut. Ich komme. Um unseren Patienten können wir uns immer noch kümmern.“
    Schritte
entfernten sich, das grelle Licht verblasste und Karim lag wieder allein in der
Dunkelheit. Fern von aller Hoffnung, gerettet zu werden.
     
    ***
     
    11:43,
Wilhelmina-Pier
    Bloemberg
erreichte Hadoshs großes Zwischen- und Weiterverarbeitungslager am
Wilhelmina-Pier gegen Mittag. Er parkte den Wagen nicht weit abseits, legte
seinen Regenmantel an und steuerte auf den Haupteingang zu. Der Regen war im
Laufe des Vormittags immer stärker geworden und hatte jetzt um die Mittagszeit
ein Zwischenhoch mit stürmischen Böen erreicht.
    Unter
dem grauen Himmel wirkte das Gebäude gespenstisch leer. Kees erkannte in keinem
der wenigen Fenster Licht, auch das verglaste Foyer war dunkel. Das Gebäude war
verschlossen. Den Grund dafür lieferte ein Zettel, der an die Glasfront
geheftet worden war.
    Aufgrund
eines unerwarteten Trauerfalles auf unbestimmte Zeit geschlossen. Bei Fragen zu
Anlieferung, Lieferausfällen oder Sonstigem wenden sie sich bitte an folgende
Telefonnummer …
    Kees
runzelte die Stirn und zog erneut am Griff. Nichts bewegte sich. Direkt neben
der Tür fand Bloemberg eine Klingel, von der der Inspecteur im Folgenden
reichlich Gebrauch machte.
    Verdomme,
die wissen doch, dass ich zum Verhör komme.
    Erst
nach einigen Minuten, die Kees Bloembergs Laune nicht unbedingt besserten, weil
er mittlerweile vom Regen völlig durchnässt war, betrat eine kleine Frau den
Vorraum, drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete. Sie trug ein seidenes,
schwarzes Kopftuch und ein ebenso schwarzes Ganzkörperkleid und konnte das
Unbehagen gegenüber dem hoch aufgeschossenen Inspecteur nicht verbergen.
Wachsam starrte sie ihn aus dunklen Augen an.
    „Ich
bin Inspecteur Kees Bloemberg von der Rotterdamer Polizei“, sagte Bloemberg und
zog in einer automatisierten Bewegung den Dienstausweis aus der Innentasche des
Mantels. „Ich muss ein Gespräch mit Herrn Hadosh führen. Es eilt. Er weiß
Bescheid. Ist er hier?“
    Die
Frau betrachtete ihn weiter misstrauisch, nickte aber schließlich. Sie trat
einen Schritt beiseite und gab die Tür frei. Bloemberg huschte aus dem Regen
ins Foyer.
    „Danke!“
    Die
Frau machte keine Anstalten, weitere Höflichkeiten zu entgegnen.
    „Folgen
Sie mir. Mein Mann ist in seinem Büro“, sagte sie verschüchtert leise.
    „Verstehe.
Sie sind Frau Hadosh. Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie …“
    „Sie
sollten mit meinem Ehemann sprechen, nicht mit mir“, unterbrach die Frau eilig
mit zittriger Stimme und öffnete die Zwischentür. „Nach Ihnen, bitte.“
    Kees
gelangte in den langen Flur, den er noch vom Wochenende kannte. Die Frau
überholte ihn und ging zügigen Schrittes auf die Kreuzung in der Mitte des
Ganges zu. Kees folgte ihr. Ihn überraschte, dass sie nicht nach rechts,
sondern nach

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