Sonne, Schnee und Tote
er sicher keinen Grund unterzutauchen. Wäre doch
gelacht, wenn man das nicht sofort überprüfen könnte.“
Der
Inspecteur kramte den Zettel aus der Hosentasche, auf dem Nasridim Hadosh in
kaum lesbarer Schmiererei Karim Abusifs Adresse notiert hatte.
Karim
bewohnte ein Appartement in Feyenoord, nicht weit von den Güterschienen
entfernt zwischen Stadion und der Moschee. Kees kannte das Viertel. Seine
Kindheit hatte er lange Zeit dort verbracht und er war nie wild darauf gewesen,
dorthin zurückzukehren. Wenn es sich vermeiden ließ, mied er die Stadtteile
südlich des Maasufers. Dafür nahm er auf dem Weg in Richtung Zeeland sogar die
längere Strecke über die Westtangente (an den endlos in Reihe stehenden Öllagertanks
am Hafen) in Kauf. Die Jahre in Feyenoord hatten Spuren und tiefe Kratzer
hinterlassen, die er gerne für immer hinter sich gelassen hätte. Die Neugier
drängte ihn dazu, die persönliche Aversion gegen diese Gegend
beiseitezuschieben und den Blinker zu setzen. Irgendwie schien niemand an dem
Fall oder dessen Lösung interessiert zu sein. Ihn beschlich sogar die
Befürchtung, dass er in dieser Sache auf sich allein gestellt war. Wenn er
nichts unternahm, würde es auch niemand sonst tun. Hilfe vonseiten Van Houdens
oder seines Kollegen Fred Maartens konnte er jedenfalls kaum erwarten. Zumal
Letzterer noch immer nicht über die Entscheidung des Hauptkommissars
hinweggekommen war, und in den Sternen stand, ob sich das zeitnah änderte.
Mit
der nächsten Grünphase bog Kees nach rechts ab und machte sich auf den Weg zu
Karims Wohnung. Er war entschlossen, diesen Fall voranzubringen, wenn das kein
anderer übernahm.
***
14:30
Feyenoord
Die
Adresse lag in der Nähe des Stadions, genau zwischen der Stadtautobahn Richtung
Osten und den Hauptgleisen des Gütertransportes für den Hochseehafen.
Gerade
als Kees den Laantjesweg erreicht und das Auto in eine Parklücke manövriert
hatte, meldete sich der Polizeifunk.
„Hier
Zentrale. Bitte melden!“
Kees
schaltete den Motor ab und schaute auf das Kommunikationsgerät. Ihm war klar,
weshalb sich die Zentrale meldete und er war nicht erpicht darauf, zu erklären,
warum er sich mit einem Dienstwagen außerhalb seines Einzugsbereiches befand.
Die Grenzen des Reviers Rotterdam-Noord reichten lediglich bis zum Maasufer und
selbst das war nur die Ausnahme. Im gesamten Zentrum hatte eigentlich die
Hauptstelle in der Nähe des Hofplein das Sagen, weswegen der Fall am
Wilhelmina-Pier gar nicht an das Politiebureau-Noord hätte gehen dürfen. Es war
eine weitere unangenehme Unbekannte bei den Ermittlungen, die nur
Hauptkommissar Van Houden zu lösen imstande war. Faktisch und rein rechtlich
kümmerte sich das Revier an der Prins-Frederick-Henry-Straat zu allererst um
die gediegeneren Bereiche Rotterdams und den Flughafen im Norden der Stadt. Nur
ganz vereinzelt und nach Absprache wurden Ermittlungen in anderen Revierkreisen
genehmigt und Bloemberg befand sich mittlerweile weit in den Einflussbereichen
des Reviers Feyenoord-Maashaven-Katendrecht.
„Hier
Polizeizentrale Feyenoord. Bitte melden!“ wiederholte der Polizeifunker.
Kees
seufzte, wenn er nicht antwortete, würde man davon ausgehen, dass der Wagen
gestohlen worden war und sofort eine Streife hierher schicken. Dank des
eingebauten GPS-Senders war es ein Leichtes, ihn zu finden. Zwar war Kees
allein unterwegs, was ohnehin nur unter bestimmten Umständen erlaubt war,
Unterstützung bei seinem geplanten Überraschungsbesuch bei Karim Abusif
benötigte er dennoch nicht. Es würde eher stören und einem normalen Gespräch
mit Abusif sicher nicht zuträglich sein.
„Hier
Zentrale Feyenoord. Rufe Wagen RN14. Melden Sie sich, andernfalls werden wir
das Fahrzeug als gestohlen melden und jegliche Weiterfahrt durch Fernsperrung
der Zündung unterbinden!“
„ Wunder der Technik “ , stöhnte Kees
und Griff nach dem Gerät.
„Hier
ist Wagen RN14, Inspecteur Kees Bloemberg, was gibt es?“
„Inspecteur,
unseren Daten zufolge befinden Sie sich mit Ihrem Dienstfahrzeug derzeit weit
außerhalb Ihres Bereiches. Außerdem sind Sie allein unterwegs, und zwar in
einem Viertel, das mit höchstem Kriminalitätsfaktor und Gefahrenpotenzial
ausgewiesen ist.“
„Und
weiter?“, fragte Bloemberg und schaute währenddessen aus dem Fenster.
Auf
der Straße war kaum etwas los. Die Häuser links und rechts standen in Reihe und
sahen alle gleich aus. Vierstöckige Fassaden aus schmutzigem kaminrotem
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