Sonne, Schnee und Tote
zögerte.
„Wen?“,
wiederholte Bert und schob sich den Rest des auf dem Teller verbliebenen
Pfannkuchens in den Mund. Er wusste, wenn Nicolas so herumdruckste, gab es bei
der Sache sicher einen Haken. Was jedoch kein Grund war, ihn weiter auf die
Folter zu spannen.
„Es
ist nicht die optimale Lösung, zugegeben, aber ich denke, es könnte
funktionieren“, wog Van Houden ab und wischte mit den Händen durch die Luft.
„Nicolas,
alter Knabe, komm zum Punkt! Wen?“
„Ich
vermute, dir sagt der Name Hadosh etwas? Der mit der Fleischerei am
Wilhelmina-Pier.“
Nur
mit Mühe bekam Bert den letzten Bissen heruntergeschluckt. Er knallte das
Besteck auf den Tisch. Natürlich kannte er Nasridim Hadosh.
Jeder
beim Sozialamt kennt den ,
dachte er und sagte mit unverhohlenem Groll in der Stimme: „Das is‘ hoffentlich
nicht dein Ernst. Der Mann hat seine Frau grün und blau geprügelt. Du weißt,
wovon ich spreche.“
„Ja
doch, aber das ist jetzt wie lange her?“
„Was
spielt denn das für eine Rolle? Der Mann is‘ gewalttätig gegenüber denen, über
die er Macht ausübt. Frau, Kinder und was weiß ich.“
„Er
hat sich in den letzten Jahren geändert, Bert. Er hat aus seinen Fehlern
gelernt.“
Bert
schüttelte den Kopf.
„Ich
versteh dich nicht. Holst die Jungs aus der Scheiße und willst sie jetzt in irgendeine andere Scheiße reinstecken. Wofür? Weshalb hab ich dann
zwei Jahre meines Lebens aufn Kopf gehauen?“
„So
ist es nicht. Hadosh ist streng und autoritär, aber er weiß, was Gerechtigkeit
ist.“
„Und
er weiß, wie man Frauen und Kinder schlägt.“
„Ich
hab dir doch gesagt, er hat sich geändert. Bei ihm sind Namir und Imar gut
aufgehoben. Sie sind finanziell abgesichert, können eine ordentliche Schule
besuchen und später in den Betrieb einsteigen. Es ist die beste Option, die wir
haben, Bert. Verstehst du das nicht?“
„Der
Mann hat eine zwielichtige Vergangenheit. Tunesischer Geheimdienst,
Staatspolizei, was weiß ich.“
„Die
Regierung hat ihm Asyl gewährt. Er ist seit Jahren niederländischer
Staatsbürger.“
„Das
macht noch lange keinen guten Menschen aus ihm.“
„Himmel!
Bert!“
Van
Houden fuchtelte mit den Händen vor Van Heligs Gesicht herum.
“Er
hat mir versprochen, sich gut um die beiden zu kümmern. Ich hab ihm alles über
die Vergangenheit der beiden erzählt.“
„Hast
du ihm auch aufgetischt, dass sie für Stojic Drogenkurier gespielt haben, seit
die beiden zehn und zwölf Jahre alt waren?“
„Die
Geschichte mit Petr Stojic ist doch völlig unerheblich“, wehrte Nicolas ab,
aber das sah Bert ganz anders. Abrupt war er von seinem Stuhl aufgesprungen. Er
konnte nicht glauben, was Van Houden ihm da aufzutischen versuchte.
„Unerheblich?
Unerheblich sagst du? Nicolas, das is‘ nicht, was du wirklich denkst oder?“
Beide
sahen sich für Sekunden in die Augen. Dann sagte der Hauptkommissar nur
abschließend.
„Es
ist die beste und einzige Lösung. Für Hadosh, für die Jungs und für dich. Es
wird Zeit, dass du dir deinen wohlverdienten Ruhestand gönnst. Ich habe dich zu
lange davon abgehalten, weil ich dachte, nachdem du damals Kees Bloemberg und
einigen von den anderen Jungs aus den Vierteln geholfen hast, du würdest das bei
den beiden auch hinbekommen.“
„Ich
hab‘ mein Möglichstes getan.“
„Ich
weiß und dafür bin ich dir dankbar. Deshalb musst du mir aber auch die
Entscheidung überlassen, dass die Jungs bei Nasridim am besten aufgehoben
sind.“
Bert
schüttelte den Kopf, dann sah er an Van Houden vorbei aus dem Fenster. Draußen
schneite es bei windigem Wetter und eisigen Temperaturen. Der Wetterdienst
hatte für den ganzen Tag Minusgrade prognostiziert.
„Das
ist nicht richtig“, entschied Bert abschließend für sich und mit dieser sturen
Uneinsichtigkeit verärgerte er Nicolas zunehmend.
„Und
ob es das ist, alter Freund“, brummte der Hauptkommissar. „So, wie es jetzt
ist, kann es nicht bleiben. Das hast du selbst gesagt. Außerdem werden wir
damit einige Sorgen los, die wir uns aufgebürdet haben und die andernfalls in
Zukunft nur zu unserem Nachteil ausgehen können.“
„Du
meinst, zu deinem Nachteil.“
„Nein,
zu unser aller Nachteil“, beharrte Nicolas. Er legte Bert die Hand auf die
Schulter, aber der hatte genug gehört. Die Entscheidung war gefallen, ohne dass
er dabei involviert worden war. Und die Art, auf die Van Houden ihn darauf
angesprochen hatte, war endgültig und nicht verhandelbar.
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