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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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das Geschehen eingriff.
    „Was
is‘ denn hier los?!“, donnerte er und Imar schreckte zurück, wobei ihm der
Schnee aus der Hand fiel und auf dem Kork zu schmelzen begann.
    „Nichts,
Bert“, sagte der große Bruder, als er sich vom ersten Schock erholt hatte.
    „Das
sieht mir nicht aus wie nichts.“
    Imar
antwortete mit gleichgültigem Schulterzucken, stand auf, vergrub die Hände in
den Taschen seiner Jogginghose und guckte trotzig zu Boden.
    „Was
ist mit dir, Namir? Willst du was dazu sagen?“
    Namir
drehte den Kopf in Berts Richtung. Seine zurückgerutschte rote Wollmütze, die
Haare und sein Gesicht, waren mit Schnee bedeckt.
    „Haben
nur bisschen gerauft“, log Namir und obwohl Bert es - durch das Wenige, das er
mitbekommen hatte - besser wusste, bekam er weder aus dem einen noch aus dem
anderen in den folgenden Minuten ein Geständnis heraus. Schließlich befahl er
Imar, die Fesseln seines Bruders zu lösen. Danach schickte er beide mit der
Aufgabe nach draußen, die Boote endlich vom Schnee zu befreien. Zusätzlich
schlug er ihnen vor, nach getaner Arbeit, auf dem Vorplatz zwei Schneefestungen
zu errichten, um ihre Aggressionen aufeinander in einer fairen
Schneeballschlacht zu klären. Auf diese Weise erledigten die beiden, die bis
dahin vernachlässigte Aufgabe und schienen nach rund einer Stunde des
permanenten Bewurfs der gegnerischen Bunkeranlage das Kriegsbeil tatsächlich
begraben zu haben.
    In
den nächsten Tagen wiederholte sich das ganze Spiel. Jedes Mal, wenn die Brüder
lachend oder miteinander blödelnd zurück ins Haus kamen, nahm sich Bert vor,
ihnen zu sagen, was bevorstand und brachte es doch nicht fertig.
    Erst
als der Schnee in der darauf folgenden Woche schmolz und das altbekannte
Rotterdamer Regenwetter die Festungen auf dem Vorplatz vom Erdboden tilgte,
schenkte er den beiden beim Abendessen reinen Wein ein.
    Nachdem
er ihnen alles erzählt hatte, sprach niemand mehr am Tisch auch nur noch ein
Wort.
    Zwar
nahmen sie es gefasster auf, als Bert erwartet hatte, aber hinter der Fassade
der Gleichgültigkeit erkannte er eine tiefe Verunsicherung, vielleicht sogar
Enttäuschung und Wut.
    Bestätigt
wurde diese Ahnung noch in derselben Nacht, als ihm auf dem Weg zur Toilette
zuerst Namirs angelehnte Zimmertür und dann das intensive Gemurmel eines Streitgesprächs
im Zimmer selbst auffiel.
    „Weißt
du, wo die uns hinstecken wollen?“
    Namir
entgegnete nichts, vermutlich hatte er lediglich mit dem Kopf geschüttelt.
    „Hadosh.
Nasridim Hadosh. Klingelt es da nicht bei dir? Wir haben die Unterlagen doch
gelesen.“
    „Der
Nasridim Hadosh?“, fragte Namir unsicher und Bert musste sich zusammenreißen,
nicht in den Raum zu stürmen, denn mit den Unterlagen, von denen Imar sprach,
konnten nur die persönlichen Akten in seinem Büro gemeint sein. Dies war seit
jeher für die Jugendlichen tabu gewesen und er hatte es immer abgeschlossen.
Nun erkannte er, dass Schlösser für die Brüder nie ein Hindernis gewesen waren.
Es kribbelte in seinen Fingern, Imar auf der Stelle eine ordentliche Standpauke
zu halten, aber er hielt sich zurück.
    „Genau
der, der seine Frau schlägt, der Hadosh“, sagte Imar und schob hinterher.
„Berti reicht uns einfach weiter. Hätte uns gleich in ein beschissenes Heim
abschieben können. Ein mieser Verräter ist er.“
    „Vielleicht
ist es ein anderer Hadosh“, warf Namir ein.
    „Sag
mal, hast du nicht zugehört oder bist du einfach dumm? Natürlich ist es der
Hadosh.“
    „Das
würde Bert nicht zulassen.“
    „Und
ob, Brüderchen. Das würde er und das tut er und ich sag dir was: Wir müssen
hier weg.“
    „Aber
das geht nicht“, wehrte sich Namir.
    „Doch.
Wir kommen schon klar. Petr kann uns helfen. Hab ein paar Sachen für ihn
erledigt in den letzten Wochen. Er ist cool drauf. Der bekommt uns sicher
irgendwo unter und gibt uns was zu tun. Wäre nicht das erste mal.“
    „Ich
weiß nicht.“
    „Du
weißt nie was, Namir“, ereiferte sich Imar und Bert hörte deutlich, wie sich
jemand aus einem Stuhl erhob und diesen geräuschvoll nach hinten wegstieß. Da
er nicht wollte, dass die beiden mitbekamen, dass er sie belauscht hatte, wenn
auch unbeabsichtigt, schlich er zur Toilette und verpasste das Ende des
Gesprächs. Als er vom Klo zurück ins Bett schlurfte, war Namirs Tür wieder
gänzlich geschlossen und kein Mucks mehr zu hören.
    Bert
schlief in dieser Nacht unruhig und erwachte mehrmals mit dem dumpfen Gefühl,
dass ihn jemand

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