Sonne über Wahi-Koura
eingearbeitet haben, wird es sicher gut für Laura sorgen. Und Sie könnten endlich wieder Ihrer Leidenschaft nachgehen. Wäre das nicht schön?«
»Doch. Natürlich!«
»Sehen Sie! Ich denke, Madame möchte Ihnen nur einen Gefallen tun.«
Helena war sprachlos. Sie konnte das nicht glauben. Besser, sich nicht zu früh zu freuen.
»Gibt es sonst noch etwas, was ich für Sie tun kann?«, fragte Newman gütig.
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete Helena zögerlich.
»Nun, ich schulde Ihnen doch noch den Rundgang durch den Weinkeller. Jetzt, in der Mittagszeit, ist dort nichts los; die Männer sind alle zu Tisch. Wie wär's mit einer kleinen Führung?«
»Wollen Sie denn nichts essen?«
»Das habe ich bereits. Ich brauche nie besonders lange für die Pause. Ist mit Ihrem Mädchen alles in Ordnung?«
»Ja, Laura schläft. Die nächste Mahlzeit ist erst in ein, zwei Stunden fällig.«
»Gut, dann gibt es keinen Grund, sich nicht ein wenig umzusehen, oder?«
Helena atmete tief durch. Sie spürte, wie ihre Wut allmählich verrauchte. Was ist nur an diesem Mann, dass er so eine beruhigende Wirkung auf mich hat?, fragte sie sich. »Also gut, schauen wir uns den Weinkeller an.«
Als Louise Helena mit Newman im Hof sah, presste sie die Lippen zusammen. Ihr war nicht entgangen, welche Wandlung ihr Kellermeister in den vergangenen Wochen durchgemacht hatte. Aus dem Raubein war ein besorgt und verliebt wirkender Mann geworden. Alle schienen das zu bemerken, selbst die Arbeiter, die hin und wieder über ihren Vorgesetzten tuschelten.
Ob Helena seine Gefühle erwidert? Louise seufzte. Vielleicht nicht, aber früher oder später wird sie eine neue Liebe finden. Und was wird dann mit Laura? Ob ich sie dann überhaupt noch zu sehen kriege?
Etwas krampfte sich in ihrem Innern zusammen. Während sie an der Spitze ihres Ärmels nestelte, überlegte sie fieberhaft, was sie dagegen tun könnte. Ich sollte Helena an diesen Ort binden, dachte sie schließlich. Vielleicht ist es an der Zeit, ihr Aufgaben zu geben. Nur so kann ich Einfluss auf sie nehmen. Nur so kann ich verhindern, dass sie sich eines Tages mit meiner Enkeltochter aus dem Staub macht.
»Das ist beeindruckend!«, rief Helena, als sie die Lampe in die Höhe hielt. Der Lichtschein streifte feuergeschwärzte Fässer, die, nach Jahreszahl geordnet, an beiden Längsseiten des Weinkellers aufgestapelt waren. Dass der Keller so groß war, hatte Helena nicht vermutet.
»Wir verwenden Kauri-Holz für die Dauben. Dadurch schmeckt unser Wein ganz anders als der europäische.«
»Das kann ich leider nicht beurteilen. Madame achtet strikt darauf, dass ich keinen Tropfen Alkohol trinke. Und das möchte ich auch gar nicht, solange ich Laura noch stille.«
»Ihre Tochter wird die Liebe zum Wein trotzdem erben.«
»Wollen wir es hoffen! Ihr Vater hatte es eher mit der Fliegerei.«
Zane strich ihr tröstend über den Arm. »Ihre Tochter wird sich blendend machen.« Er lächelte aufmunternd und ging weiter in das Tonnengewölbe hinein.
Helena folgte ihm durch Reihen von Fässern bis zu einer Tür, die in ein weiteres Gewölbe führte.
»Hier lagern die jüngeren Jahrgänge. Die wahren Schätze finden Sie dort.« Er deutete auf ein Regal voller Flaschen, das von Spinnweben und einer dicken Staubschicht bedeckt war. »Das ist die sogenannte Schatzkammer. So etwas gab es auf Ihrem Gut sicher auch.«
Helena nickte stumm. Sie erinnerte sich schweren Herzens an die kostbaren Flaschen, die sie vor dem Verkauf des Gutes gesondert veräußert hatte. Einige dieser Weine waren noch zu Zeiten ihres Großvaters abgefüllt worden. Der Preis, den sie erzielt hatten, war so lächerlich gering gewesen, dass die Erinnerung daran schmerzte.
»Das hier ist unser ältester Tropfen.« Newman blies vorsichtig den Staub von einem der Etikette und reichte ihr die Flasche. Eine Sonne zierte den Wachsverschluss über dem Korken.
»Jahrgang 1835«, stellte Helena erstaunt fest. »Meinen Sie wirklich, den kann man noch trinken?«
»Normalerweise ja, denn weder der Korken noch die Flasche ist schadhaft. Madame würde allerdings nicht wollen, dass er getrunken wird.«
»Warum denn nicht?«
»Sagt Ihnen der Name James Busby etwas?«
Helena schüttelte den Kopf.
»Madames Urgroßvater Roland de Mareille kam im Jahr 1833 zusammen mit James Busby nach Neuseeland. Hier pflanzte er die ersten Reben. Nach zwei Jahren waren die Stöcke so weit, dass sie die ersten Trauben trugen. Insgesamt haben wir noch
Weitere Kostenlose Bücher