Sonne über Wahi-Koura
zu heiraten?«
Das ging entschieden zu weit! »Ich bitte Sie, Madame. Ich trauere immer noch um Ihren Sohn!« Ob und wann ich mir einen neuen Gatten erwähle, ist allein meine Entscheidung und geht Sie gar nichts an, setzte Helena in Gedanken hinzu.
»Durch Ihre Tochter haben Sie eine Verantwortung gegenüber meiner Familie. Vergessen Sie das nie!«
»Was wollen Sie damit sagen, Madame?«, fragte Helena mit scharfer Stimme.
»Dass in den Adern von Laura das Blut der De Villiers fließt. Sollten Sie beabsichtigen, wieder zu heiraten, wählen Sie gut! Ich möchte nicht, dass meine Enkeltochter unter ihrem Stiefvater zu leiden hat.« Damit begab sich Louise hinter ihren Schreibtisch.
Helena knetete empört die eiskalten Hände. Was sollte diese Unterhaltung? Wollte Louise ihr verbieten, sich mit Newman zu unterhalten? Warum nur? Er ist ein ehrlicher Mann, und unter seiner rauen Schale verbirgt sich ein weicher Kern.
An diesem Morgen hatte Helena Mühe, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die ihre Schwiegermutter mit ihr besprechen wollte. Die Verwunderung über das merkwürdige Gespräch hatte sich auch gegen Mittag noch nicht gelegt.
Vielleicht sollte ich den Spaziergang mit Newman absagen, überlegte Helena. Aber es widerstrebte ihr, sich von ihrer Schwiegermutter einschüchtern zu lassen und den Kellermeister zu enttäuschen.
Entschlossen schnürte sie die Stiefeletten, warf noch einen Blick auf Laura, die ihr Mittagsschläfchen hielt, und verließ das Haus.
Newman erwartete sie bereits. Er hatte einen Korb bei sich.
»Ein kleiner Imbiss«, erklärte er. »Für den Fall, dass der Rundgang etwas länger dauert.«
Helena wurde heiß und kalt. Er will mit mir picknicken, dachte sie überrascht. Wenn Louise Wind davon kriegt, wird sie es sicher falsch verstehen.
»Stimmt etwas nicht mit Ihnen?«, fragte Zane, als er Helenas Zögern bemerkte.
»Nein, nein. Ich muss mich nur an die Wärme hier draußen gewöhnen. Im Büro von Madame war es wesentlich kühler.«
»Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen. Kommen Sie!«
Helena warf einen Blick zurück zum Haus, bevor sie sich Newman anschloss.
Während des Spazierganges sprachen sie zunächst über die Erträge der letzten Lese.
Helena ertappte sich dabei, dass sie Newman immer wieder von der Seite musterte. Hegt er wirklich mehr als freundschaftliche Gefühle für mich?, fragte sie sich.
Schweigend wanderten sie durch die abgeernteten Spaliere. Das Weinlaub hatte sich bereits rot und gelb verfärbt.
»Wie kalt wird es in diesen Breiten eigentlich im Winter?«, erkundigte sie sich sie, während sie eines der farbenfrohen Blätter abriss.
»Etwas kälter als jetzt auf jeden Fall, so etwa um zehn Grad plus. Das ist auf der Südinsel schon ganz anders.«
»Sie waren schon mal dort. Ich erinnere mich, dass Sie mir vorgeschlagen haben, dorthin zu reisen.«
»Ich habe als sehr junger Bursche auf der Südinsel gearbeitet. Auf einer Schaffarm. Aber das war nichts für mich.«
»Und dann sind Sie nach Wahi-Koura gekommen?«
Newman nickte. »Madame hat mich als Lehrling aufgenommen. Ich habe im Weinberg und im Keller geholfen.«
»Und sehen Sie, was aus Ihnen geworden ist!« Helena zwinkerte Newman zu. Auf einmal waren die Bedenken, die sie angesichts von Louises Worten überfallen hatten, wie weggeblasen. Sie fühlte sich in Zanes Nähe geborgen. Und das wollte sie einfach nur genießen.
Newman wurde rot. »Ich glaube, ich habe meine Arbeit recht gut gemacht.«
»Recht gut? Da untertreiben Sie aber, Mister Newman! Sie müssen meine Schwiegermutter wirklich überzeugt haben, sonst hätte sie den Posten des Kellermeisters nicht mit Ihnen besetzt.«
Helena faszinierte die Bescheidenheit, die Zane an den Tag legte. Laurent war ganz anders gewesen. Nicht großmäulig, aber doch sehr von sich, seiner Arbeit und seinen Zielen überzeugt. Sie spürte, dass viel mehr in Newman steckte, als er eingestehen wollte.
»Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, sich ein eigenes Weingut zuzulegen?«
»In diesen Zeiten?« Newman lachte bitter. »Sie wissen doch, mit welchen Problemen die Winzer zu kämpfen haben. Außerdem fühle ich mich Madame verbunden. Sie braucht mich als Kellermeister, und nach allem, was sie für mich getan hat, will ich sie nicht enttäuschen.«
»Ihre Loyalität ehrt Sie«, sagte Helena lächelnd. »Aber manchmal sollte man ein Risiko eingehen.«
Newman lächelte hintergründig. »Glauben Sie mir, wenn es eine Sache gibt, für die ich brenne,
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