Sonne über Wahi-Koura
eine Gabe zukommen lassen.
Als Helena das Gut erreichte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Sie brachte die Kräuter in die Küche und sah nach Louise, die inzwischen wieder wach war. Adelaide hatte ihr ein paar Kissen in den Rücken geschoben.
»Helena! Wo waren Sie so lange? Ich habe Sie schon vor einer Stunde rufen lassen.«
»Bitte, verzeihen Sie, Madame! Ich habe die Heilerin aus dem Maori-Dorf konsultiert. Sie hat mir Kräuter für einen kräftigen Sud gegeben, den Sie trinken müssen.«
»Demnach haben Sie Fraser nicht geholt?«
»Doch, natürlich. Er hat Ihnen ebenfalls Medikamente verschrieben.«
Louise nickte nur. Ihr war deutlich anzusehen, dass jedes Wort sie anstrengte. »Sie müssen etwas für mich erledigen«, sagte sie schließlich.
»Wenn es in meiner Macht steht.«
»Sie werden keine andere Wahl haben. Eigentlich wollte ich mich morgen mit Monsieur Rouget von der Weinhandelsgesellschaft Auckland treffen.«
Der Name war Helena vertraut. Er war in den Lehrstunden gefallen, als es um den Verkauf des Weins ging.
»Die Verhandlungen mit ihm sind immer recht zäh, und ich möchte, dass Sie mich vertreten.«
Helena schnappte nach Luft. »Trauen Sie mir wirklich zu, dass ...«
»Mister Newman wird Sie begleiten und Ihnen unterwegs alles erzählen, was Sie über Rouget wissen müssen. Sie werden als meine Stellvertreterin auftreten, und ich hoffe sehr, dass Sie zu einem guten Abschluss kommen.«
Louise sank zurück in die Kissen.
Helena bemerkte die geschwollenen Adern an ihren Schläfen. »Ich werde alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigen, Madame.«
»Gut, dann lassen Sie mir die Arznei bringen, die Ahorangi Ihnen mitgegeben hat. Ich wette, dass sie mich schneller wieder auf die Beine bringt als Frasers Mittelchen.«
Am Nachmittag trafen sich Helena und der Kellermeister in Louises Arbeitszimmer. Monsieur Pelegrin hatte bereits alle notwendigen Unterlagen vorbereitet. Und Sarah hatte für Tee gesorgt, der Helenas Lebensgeister stärkte.
»Monsieur Rouget ist ein sehr gewiefter Händler«, erklärte Newman, während er auf den Briefkopf des Kunden deutete.
Louise hatte die Korrespondenz mit ihm akribisch abgeheftet. Dabei war ein ziemlich dicker Ordner entstanden.
»Madames forsche Art hat ihn immer wieder aufs Neue beeindruckt und davon abgehalten, die Preise zu drücken, was er auch diesmal zweifellos versuchen wird«, fuhr er fort. »Darauf dürfen Sie sich auf keinen Fall einlassen.«
»Das habe ich auch nicht vor.« Helena erinnerte sich noch sehr gut an das erste Jahr nach ihrer Übernahme von Gut Lilienstein. Nicht nur, dass sie von den anderen Weinbauern der Umgebung belächelt wurde, auch die Händler hielten sie für ein Kind, das sie getrost übervorteilen konnten. Helena lächelte, als sie sich wieder die erstaunten Gesichter nach den ersten Verkaufsverhandlungen ins Gedächtnis rief.
»Der Wein des vergangenen Jahres ist hervorragend geraten. Und in diesem Jahr können wir zu Recht darauf hoffen, einen der besten Weine der vergangenen fünfzig Jahre zu produzieren. Sie haben also keinen Grund, Ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, Helena.«
»Rouget wird natürlich trotzdem versuchen, die Preise zu drücken, und als Argument die Prohibitionsbewegung nennen. Dass einige Weingüter aufgegeben haben, könnte uns aber von Nutzen sein. Ein Weinhändler braucht Ware, die er an seine Geschäftskunden weiterverkaufen kann. Bekommt er sein Kontor nicht voll, fällt das auf ihn zurück, denn es sieht so aus, als würden einige Zulieferer auf seine Dienste verzichten. Wir werden das Gerede also getrost ignorieren und auf den Preisen des vergangenen Jahres beharren.«
»Sie kennen sich wirklich hervorragend aus«, sagte Zane, der sichtlich beeindruckt wirkte.
»Danke, Zane, aber das ist bestimmt gar nichts im Vergleich zu dem Wissen, über das meine Schwiegermutter verfügt.«
Nach einer kurzen Gedankenpause erklärte der Kellermeister: »Es ist ein großer Vertrauensbeweis von Madame, dass Sie Ihnen dieses Gespräch überlässt. In all den Jahren hat sie die Verkaufsverhandlungen stets selbst geführt.«
»Ich schätze mal, jetzt hat sie keine andere Wahl«, winkte Helena ab. Sie hatte beschlossen, nicht allzu viel in diese Sache hineinzulesen. Wahrscheinlich macht Louise mir wieder die Hölle heiß, wenn es ihr besser geht, dachte sie resigniert.
»Sie hätte auch mich schicken können«, entgegnete Newman. »Ich kenne Rouget, und sie hat auch Vertrauen zu mir. Aber sie hat
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