Sonne, Wind und Mord (German Edition)
verschlagen hatte, nachdem er ihn im
Verschlag - draußen in den Dünen - dazu aufgefordert hatte, zum Wagen
zurückzukehren. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass Ronald derjenige
gewesen war, der die Polizei hierher geführt hatte. Wo er allerdings in diesem
Moment steckte, wusste er nicht.
Jemand anderes hingegen wusste sehr genau, wo
sich Surveillant Ronald Rudjard befand, schließlich handelte es sich bei dem
jungen Mann um seinen eigenen Neffen.
„Ronald liegt im Krankenhaus von Alkmaar. Wir
haben ihn mit schweren Schussverletzungen in Commissaris Beelhams Wagen auf
einem Parkplatz in der Nähe gefunden. Sein Zustand ist kritisch, aber nicht
lebensgefährlich.“
Linda drehte den Kopf, sah entgeistert in das
füllige Gesicht des hinter ihr stehenden Hauptkommissars und der schaute
betrübt zurück.
„Das ist ja furchtbar“, brachte sie flüsternd
hervor.
Van Houden nickte, rang sich aber dann ein
halbwegs optimistisches Lächeln ab.
„Wir müssen abwarten, hoffen wir das Beste“,
sagte er, wandte sich ab und ging dann hinüber zu dem entrückt an einer Säule
im Foyer stehenden Michael Greenly. Der Tod seines Sekretärs und seine
Verwicklung in diese dubiose Verstrickung hatten den amerikanischen Politiker
sichtlich mitgenommen. Er hatte seit fast einer halben Stunde nichts mehr
gesagt, starrte unentwegt geradeaus. Van Houden war bei ihm angekommen und
legte seinen dicken Arm auf Greenlys Schulter.
Noch eine Weile saßen Linda und Kees
nebeneinander auf der Treppe.
„Eigentlich ist es eine Schande, dass ein so
kluger Kopf wie Jon so enden musste. Das ist so unnötig. Er war ein guter
Mitarbeiter, hatte viele Ideen, hat uns mit seinem computertechnischen Wissen
ungemein weitergebracht. Und dann verrät er uns alle, wegen… wegen einer zu
kleinen Bonuszahlung… Ich meine, es ging ihm wirklich nur ums Geld… Das ist so…
Geld ist doch nicht alles im Leben“, durchbrach Linda schließlich das Schweigen
hilflos gestikulierend. Bloemberg überlegte kurz.
„Für manch einen offensichtlich doch. Und
dafür ist er über Leichen gegangen“, erwiderte er schließlich nur teilnahmslos
und sah dabei nachdenklich zu Boden, ehe er den Kopf hob und Linda ansah. Sie
machte einen ebenso erschöpften Eindruck wie er selbst. Er hatte für heute
genug von Jon gehört, wenn er in den kommenden Tagen seinen Bericht schreiben
musste, würde dieser Name noch häufig genug fallen.
Kees war einfach froh, dass die Geschichte glimpflich
ausgegangen war. Die Nachricht von Ronald, der mit Schussverletzungen im
Krankenhaus lag, war natürlich bedrückend, trotzdem war er schlicht und einfach
heilfroh, dass sie alle lebend aus der Sache herausgekommen waren. Das war das
Wichtigste. Er lächelte erschöpft, aber glücklich.
Linda Farber war todmüde und wünschte sich
nichts sehnlicher als zu schlafen. Am liebsten die nächsten drei Tage. Wenn
möglich nicht allein. Ihr wärmendes Bett mit der weichen Decke und den großen
Federkopfkissen wartete keine fünf Kilometer von hier. Sobald sie erst einmal
darin läge, würde sie es so schnell nicht mehr verlassen. Ehe es jedoch so weit
war, musste sie sich noch etwas gedulden. Die Tatortsicherung dauerte an und so
lange war es unmöglich, einfach zu verschwinden. Linda schaute in Kees
Bloembergs tiefblaue Augen und hätte sich, in diesem Augenblick tiefer
Erschöpfung, am liebsten ganz einfach darin verloren. Sie empfand tiefe
Dankbarkeit gegenüber dem, meist so distanziert wirkenden, Inspektor der Rotterdamer
Polizei. Er hatte sie gerettet. Kees Bloemberg. Er war ein schwieriger
Charakter voller Ecken und Kanten, das hatte sie in den letzten 24 Stunden zur
Genüge miterlebt, aber unter dieser Schale steckte ein Mann, der sie
faszinierte. Sie spürte, dass dort eine tief sensible Seite in dem so
unerschütterlich wirkenden Inspektor versteckt lag. Eine Seite, die sie gern
näher kennenlernen wollte.
Wärest du nicht gewesen,
säße ich jetzt nicht hier , dachte sie, aber es war nicht allein ein Gefühl tiefer Dankbarkeit
für alles, was Kees für sie getan hatte. Es war ein Gefühl… ein Gefühl, das sie
einfach nicht zu fassen bekam und doch war es da.
Ohne weiter darüber nachdenken zu müssen, tat
sie das, was ihr Bauch oder vielleicht auch ihr Herz ihr sagte. Sie neigte sich
zu dem besonnen dasitzenden Polizisten herüber, legte die Arme um seine
Schultern und drückte sich sanft an ihn.
„Danke“, flüsterte sie dem überraschten
Inspektor ins Ohr und gab
Weitere Kostenlose Bücher