Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
verschwinde doch einfach«, sagte Cash. Er wusste, dass er sich unvernünftig verhielt, aber er konnte nichts dagegen tun. Stattdessen hörte er sich selbst sagen: »Das kannst du doch besonders gut, du Scheißkerl.«
Er hatte das Gefühl, besessen zu sein. Wie die Frauen in der Kirche in seiner Heimat, die zusammenbrachen, wenn der Prediger ihnen die Handfläche auf die Stirn legte, die sich am Boden wälzten und in Zungen sprachen.
Als Luiz am nächsten Tag wiederkam, entschuldigte sich Cash bei ihm, aber er winkte nur ab.
»Não é nada.«
»Sag das nicht«, erwiderte Cash. »Ich muss das durchstehen. Ich muss wieder gesund werden.«
»Das wirst du auch«, versicherte ihm Luiz, obwohl sein weicher, trauriger Blick das Gegenteil besagte.
Sie redeten über den Krieg. Luiz zufolge hatte der Krieg schon begonnen, lange bevor eine Bande von Außenweltlern, die sich als Geister bezeichneten, den Eisbrocken auf Phoebe geschleudert hatte. Und die militärische Phase, die Angriffe auf die Städte, Siedlungen und Schiffe der Außenweltler, war in Wahrheit die letzte Stufe eines äußerst geschickt eingeleiteten und genauestens geplanten Feldzugs gewesen. Bevor die gemeinsame Expedition der Brasilianer und Europäer im Saturnsystem eingetroffen war, hatten Diplomaten und Handelsvertreter einige der Städte des Außensystems davon überzeugt, neutral zu bleiben. Aufzugeben und zu kapitulieren, ohne dass auch nur ein Schuss abgefeuert wurde. Die restlichen Städte waren von Spionen infiltriert worden, die ihre Infrastruktur sabotiert hatten. Die Pflanzen in den Gewächshausfarmen waren abgestorben und hatten die Städte nicht nur ihrer Nahrungsmittel, sondern auch des Sauerstoffs beraubt. Das Wasser war mit psychotropen Drogen und die Luft mit Grippeviren verunreinigt
worden. In die Informationsnetzwerke waren Dämonen eingeschleust worden, die sie teilweise lahmgelegt oder das Netz mit Propagandanachrichten geflutet hatten. Die Stromversorgung war zusammengebrochen. Als die militärische Phase des Krieges begann, war die Bevölkerung in den Städten bereits demoralisiert, krank und von ihrem Kampf mit den versagenden Lebenserhaltungssystemen erschöpft gewesen. Die meisten hatten sich augenblicklich ergeben. Nur Paris, Dione, hatte Widerstand geleistet, und dieser war innerhalb eines Tages gebrochen worden.
Luiz erzählte Cash, dass er und die anderen Piloten der Einmannjägerflotte ihre Zeit damit verbracht hatten, Schiffe der Außenweltler zu verfolgen, die aus dem Saturnsystem hatten fliehen wollen. Die meisten davon waren unbewaffnet gewesen. Und die Übrigen hatten den Einmannjägern nichts entgegenzusetzen gehabt. Dennoch war es mehr als der Hälfte der Flüchtlinge gelungen, zu entkommen. Im Augenblick versteckten sie sich auf Uranus. Und niemand wusste, wie viele von ihnen es dort draußen gab und was sie vorhatten.
»Warum seid ihr nicht losgeflogen?«, wollte Cash wissen.
»Losgeflogen?«
»Ich meine, hinter ihnen her?«
»Wir haben hier zu viel zu tun«, sagte Luiz. »Wir jagen gerne Dinge in die Luft. Das hat man uns beigebracht. Was wir nicht so gut können, ist, sie hinterher wieder zusammenzusetzen. Und die Schäden an den Städten zu reparieren, ist noch gar nichts. Viel schwieriger ist es, mit den Außenweltlern klarzukommen.«
Luiz erzählte Cash, dass er einen Transportservice leitete, der Soldaten, Zivilisten und Ausrüstung zwischen den verschiedenen Monden hin und her beförderte. Das Saturnsystem wurde jetzt von der Dreimächtebehörde regiert. Die
Pazifische Gemeinschaft hatte auf Phoebe eine kleine Basis errichtet und kontrollierte die verstreuten Siedlungen auf Iapetus. Die Europäer waren für die Rhea zuständig, und Großbrasilien herrschte über den Rest. Über Mimas, Enceladus, Thetys, Dione und Titan und über die winzigen und größtenteils unbewohnten Monde.
»Außerdem liegen wir gerade mit der PG im Clinch darüber, wer Hyperion kontrolliert«, sagte Luiz. »Dort lebt zwar niemand, aber Hyperion hat sich zu einem Streitpunkt entwickelt. «
»Scheiß Politik.«
»Erinnerst du dich noch, dass wir wegen Hawaii beinahe mit ihnen Krieg geführt hätten?«
»Ich habe schließlich nicht alles vergessen.«
»Die sind nicht hierhergekommen, um uns zu helfen. Wir haben ihre Hilfe gar nicht gebraucht. Die sind hier, weil sie ein Stück vom Kuchen abhaben wollen«, sagte Luiz. »Die Frage ist nur: Was werden sie mit dem Gebiet machen, das ihnen gehört? Und worauf haben sie es noch
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