Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
spielten gerade Schach, und wie üblich befand sich Felice gegen Ende des Spiels in einer aussichtslosen Position. Dennoch hielt er durch, in der Hoffnung, dass Amy einen Fehler machen würde, obwohl er aus Erfahrung wusste, dass das eher unwahrscheinlich war.
Während Amy darauf wartete, dass Felice seinen nächsten Zug machte, sagte sie: » Wenn ich es recht verstehe, musste das Volk Großbrasiliens für den stillen Krieg und die Besetzung der Systeme von Jupiter und Saturn bezahlen,
während die großen Familien aus erbeuteter Technologie jede Menge Profit geschlagen haben. Und jetzt will die Regierung Großbrasiliens mit der Pazifischen Gemeinschaft einen Krieg darüber anfangen, wer über irgendeinen fernen Eisbrocken herrscht. Die Söhne und Töchter der einfachen Leute werden vom Militär eingezogen, sie verlieren das bisschen Freiheit, das ihnen noch verblieben ist, und ihre Städte werden zum Ziel feindlicher Raketen. Sie haben genug. Sie wollen, dass sich etwas ändert.«
Felice zog einen Bauern in die sechste Reihe und bedrohte damit Amys letzten Springer. »Aber Veränderungen kommen eben nicht einfach so zustande, nicht wahr?«
»Sprichst du aus eigener Erfahrung?«, fragte Amy mit spöttischem Blick. Sie hatte sich vor ein paar Wochen die Haare kurz geschnitten und sie rabenschwarz gefärbt. Dazu trug sie einen dunkelvioletten Lippenstift und schwarzen Eyeliner, was die papierne Blässe ihrer Haut betonte.
»Man muss wissen, was für eine Veränderung man erreichen will.«
Amy bewegte ihren Turm ein Feld seitwärts. »Vielleicht wollen sie ja das, was wir vor dem Krieg gehabt haben. Und sie brauchen lediglich einen Anführer, der sie in die richtige Richtung lenkt.«
Felice sah, dass er schachmatt wäre, wenn er den Springer schlagen würde, weil ihm dann der Turm seinen Bauern wegnehmen würde. Deshalb zog er seinen zweiten verbliebenen Bauern ein Feld an seinem König vorbei. Amy bewegte ihren bedrohten Springer, setzte seinen König Schach und zwang ihn damit, ihn wieder zurückzuziehen. Dann zog sie ihren anderen Turm in dieselbe Reihe und erklärte ihn schachmatt.
»Ich hatte schon vor einer Weile verloren«, sagte Felice und rieb sich die tauben, steifen Finger seiner linken Hand.
Inzwischen bekam er Steroide direkt in die Muskeln gespritzt, was aber nicht viel half.
»Du kämpfst immer bis zum Schluss«, sagte Amy.
»So habe ich es gelernt.«
»Deine Nase sieht gar nicht mehr so schlimm aus. Jedenfalls bei diesem Licht.«
»Ich glaube, dass ich mich schon verändert habe, lange bevor Edz Jealott mir die Nase gebrochen hat. Und ich hoffe, dass die Veränderung noch nicht abgeschlossen ist.«
»Tja, was das Spiel angeht, da ist wohl nichts mehr zu machen.«
»Wenn ich nicht jedes Spiel bis zu Ende spiele, wie kann ich jemals darauf hoffen, zu gewinnen?«
»Was würdest du tun, wenn die Regierung Großbrasiliens gestürzt würde?«
»Wenn es eine Revolution gäbe?«
»Wenn sie Erfolg hätte.«
»Ich weiß nicht. Das hieße nicht unbedingt, dass wir befreit werden würden, oder?«
»Aber wenn es so wäre?«
»Dann würde ich zur Erde fliegen, wenn ich könnte.«
»Würdest du nicht erst einmal geheilt werden wollen?«
»Auf der Erde könnte ich doch auch geheilt werden, oder?«
Amy lächelte. »Vielleicht könnten wir zusammen fliegen.«
»Nach Neuseeland?«
»Warum nicht? Ich bin sicher, dass es die Insel noch gibt.«
Ein Militärschiff ging auf dem Landefeld des Gefängnisses nieder, und Roboter luden Baumaterial aus, brachten es ins Innere des Zelts und errichteten nahe der Westflanke der Kraterwand eine geodätische Kuppel. Zwei Tage nachdem die Kuppel fertig und mit Luft gefüllt war, traf ein weiteres Schiff ein und spuckte eine Ladung Gefangener von der
Erde aus. Sie marschierten direkt zu der neuen Kuppel, machten sich dort an die Arbeit und errichteten in ihrem Innern eine Baracke. Gerüchte gingen um, dass es sich bei den Gefangenen um abtrünnige Wissenschaftler und Sprösslinge der großen Familien handelte, die mit den Aufrührern in Großbrasilien sympathisierten. Aber keiner wusste Genaueres, weil die neuen Gefangenen von den anderen Insassen strikt getrennt gehalten wurden.
Amys Ansicht nach war das ein Zeichen dafür, dass die Regierung Großbrasiliens geschwächt war. »Wenn Präsident Nabuco sich sicher wäre, dass er die Revolution niederschlagen kann, hätte er die Gefangenen töten lassen, anstatt sie hierherzuschicken.«
»Es sind Geiseln«, sagte
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