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Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Titel: Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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sechs Monaten nicht mehr gesehen. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Geheimnisse des Phänotypendschungels auf Janus und der verschiedenen Gärten, die sie auf dem Titan entdeckt hatten, zu enträtseln. Berrys Gouvernante, eine schlanke, junge Soldatin, musste ihn erst dazu ermuntern, zu seiner Mutter zu gehen, und als Sri ihn in die Arme nahm, war sein Körper ganz steif vor Schüchternheit und Widerwillen. Ihre Fragen beantwortete er einsilbig oder zuckte lediglich die Achseln. Er war drei Zentimeter gewachsen und in Schultern und Brust viel breiter geworden. Ein junger Mann mit schwarzem Haarschopf und blassem Gesicht, der Sri ansah und gleich wieder den Blick abwandte. Schüchtern und gerissen zugleich.
    Sri schickte die Gouvernante fort und unternahm mit Berry einen Spaziergang durch den Wald, der das Gartenhabitat umgab. Überall waren Halteleinen gespannt, aber Berry war an die niedrige Schwerkraft auf Dione gewöhnt, die lediglich ein Sechstel der Schwerkraft des Titan und ein Dreißigstel der der Erde betrug, und sprang wie eine Gazelle vor Sri her. Er führte sie zu einer Herde Zwergrinder mit zottigem Fell, die in einem Hain mit Esskastanien das lange Gras abweideten, und zeigte ihr einen Albinofasan, ein paar Wachtelküken, die zwitschernd hinter ihrer Mutter herliefen, und einen Teich, wo Sumpfschildkröten auf einem aus dem Wasser ragenden Baumstamm saßen und riesige Libellen über die unruhige Wasseroberfläche glitten.
    Sri war der Meinung, dass der sorgfältig durchgeplante und gepflanzte Wald irdische Nostalgie und eine entsprechende
Ideenarmut verströmte. Aber ihrem Sohn zuliebe gab sie vor, sich über dieses triviale kleine Paradies zu freuen, über die Zwergtiere, die vor allem niedlich und praktisch sein sollten, die formalen Gärten und die künstliche Wildnis. Berry war genauso launisch und anstrengend wie immer. Er rannte den hundegroßen Rindern hinterher und scheuchte sie in alle Richtungen, warf Steine nach dem Fasan und hätte die Wachtelküken zertreten, wenn Sri ihn nicht daran gehindert hätte. Außerdem musste sie ihn aus dem Teich herausholen, nachdem er hineingesprungen war, um eine der Schildkröten zu fangen.
    Sri unterdrückte den Drang, ihren Sohn zurechtzuweisen. Sie würde später ein ernstes Wort mit der Gouvernante reden. Berry brauchte Disziplin und einen festen Rahmen im Alltag, und die junge Frau hatte ihm offensichtlich zu viel durchgehen lassen. Derweil ließ sich Sri von Berry einen langen Pfad durch ein Wäldchen aus Zerreichen und Weymouth-Kiefern zu einer flachen, grasbewachsenen Anhöhe hinaufführen, von der aus man einen schönen Blick über das gesamte Gartenhabitat hatte. Er zeigte ihr eine hölzerne Rampe, die an einem Felsvorsprung befestigt war, hinter dem es steil in die Tiefe ging. Unter ihnen waren die Wipfel der Bäume des Ringwaldes zu sehen. Er sagte, dass er von dort geflogen sei. Es war ganz einfach, behauptete er. Man schnallte sich eine Art Drachen auf den Rücken, lief die Rampe entlang, und der Wind trug einen hoch hinauf.
    »Das hast du gemacht? Du bist wirklich geflogen?«
    Berry nickte ernst und erzählte Sri, dass die Leute Anzüge mit Flügeln trugen, die sich von ihren Handgelenken zu ihren Knöcheln spannten, und damit wie Vögel durch die Luft flogen. Er sagte, dass er das sehr gerne ausprobieren würde, aber dass der General gesagt hatte, er müsse noch warten.

    »Aber ich will nicht warten! Ich will ein Vogel sein!«, rief er, sprang mit ausgebreiteten Armen auf der Anhöhe umher und machte dabei Geräusche wie ein angreifender Kampfjet.
    Sri sprach beruhigend auf ihn ein, und dann gingen sie zurück und aßen Abendbrot. Danach badeten sie zusammen in einem Schwimmbecken mit warmem Wasser, bevor Sri ihren Sohn von der Gouvernante ins Bett bringen ließ. Hinterher las sie der jungen Frau die Leviten, weil sie zugelassen hatte, dass ihr Sohn sein Leben aufs Spiel setzte, und verbot jede Art des Fliegens.
    Die junge Soldatin reckte trotzig das Kinn vor. »Das werden Sie mit dem General klären müssen, Ma’am. Er überwacht Berrys Ausbildung.«
    Aber der General hatte Dione verlassen, um nach Xamba auf Rhea zu fliegen, wo er sich mit dem Bürgermeister der Stadt und dem Oberbefehlshaber der europäischen Streitmacht treffen wollte, um die Probleme zu besprechen, die den Besatzern durch den passiven und gewaltfreien Widerstand entstanden. Sri schluckte deshalb ihren Ärger hinunter und machte sich daran, die Aufgaben zu

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