Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
sagte Yuli, spannte die Rückenmuskeln an und sprang auf die Füße, »schließlich bin ich ganz sicher ein Monster!«
Sri zuckte unwillkürlich zusammen. Und dann lag Yuli auf dem Rücken, wälzte sich hin und her und gab krächzende animalische Laute von sich. Im nächsten Moment wurde Sri klar, dass einer der Überwacher das Halsband aktiviert hatte.
Trotz des abrupten Endes der Sitzung, waren die Psychologen mit dem Ergebnis zufrieden. »Das Pheromon hat zwar nur eine geringe Wirkung gezeigt, aber ich glaube, es war bedeutsam«, sagte der eine. »Yuli war Ihnen gegenüber offen und freundlich. Sie hat sich mit Ihnen unterhalten, hat Neugierde gezeigt und über sich selbst gesprochen. Ein hervorragender Einstieg.«
»Sie hat versucht, ihre eigene Identität zu behaupten«, sagte der andere. »Sie ist sehr wütend auf ihre Mutter, das war von Anfang an klar. Offenbar gibt sie ihrer Mutter die Schuld an der Situation, in der sie sich befindet. Wir müssen eine Möglichkeit finden, unser Mitgefühl zu zeigen und darüber eine Verbindung zu ihr herzustellen.«
»Ich habe kein Interesse daran, mich mit ihr anzufreunden«, sagte Sri. »Und sie will auch nichts von mir wissen. Ich dachte, das sei klargeworden.«
»Aber sie war Ihnen gegenüber sehr freundlich eingestellt«, sagte der erste Psychologe.
»Finden Sie heraus, was sie will«, sagte der zweite. »Dann öffnet sie sich Ihnen vielleicht und gibt Ihnen, was Sie wollen. «
»Sie will ihre Freiheit«, sagte Sri. »Und die kann ich ihr nicht geben. Außerdem hat sie sie bereits abgelehnt, als sie ihr im Austausch für Informationen über ihre Mutter angeboten wurde. Sagen Sie mir: Hasst sie ihre Mutter wirklich? Und wenn dem so ist, warum hat sie sie dann nicht längst schon verraten?«
»Sie wird von einem Gewissenskonflikt geplagt«, sagte der erste Psychologe. »Sie gibt ihrer Mutter die Schuld an der Situation, in der sie sich befindet, aber zugleich ist sie ihr gegenüber loyal.«
»Und sie weiß, dass sie keine Verantwortung für sich selbst übernimmt, solange sie ihrer Mutter die Schuld gibt«, sagte der zweite Psychologe. »Wenn Sie ihr helfen, Verantwortung zu übernehmen, können Sie damit ihr Vertrauen gewinnen.«
Nach Sris Ansicht klang das alles zu einfach. Wie eine von den Geschichten, die von den Evolutionsbiologen erfunden wurden – vereinfachende Versuche, kompliziertes menschliches Verhalten zu erklären, indem man es als Überreste uralter Überlebensstrategien deutete, die im menschlichen Gehirn fest verankert waren. Dennoch sprach sie mit den Psychologen ein paar mögliche Szenarien durch und kehrte am nächsten Morgen in aller Frühe in die Suite zurück. Am Tag zuvor war sie ruhig und zuversichtlich gewesen. Jetzt hatte sie das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen.
Yuli erwartete sie bereits. Gelassen und gleichgültig saß sie mit überkreuzten Beinen auf dem großen Kissen. Sri hatte eine Lesetafel mitgebracht und zeigte dem Mädchen Videos von dem Garten auf dem Titan, den sie erkundet hatte: Tücher mit ausgefransten Rändern, die in einer Ader ammoniakhaltigen Wassers unter der Kuppel des Vulkans schwammen. Ein Zoo aus verschiedenen mikroskopisch kleinen Lebensformen, die alle dieselben Gene besaßen.
Yuli gähnte und sagte, dass sie nichts über die Gärten ihrer Mutter wisse. »Sie hat sie vor meiner Geburt geschaffen. Und danach war sie zu beschäftigt, um weitere anzulegen.«
»Aber du hast doch sicher ein paar davon besucht.«
» Wenn Sie wissen wollen, warum meine Mutter sie geschaffen hat, fragen Sie eine Blume, warum sie Blüten hervorbringt. Oder eine Biene, warum sie Honig erzeugt. Sie
hat sie geschaffen, weil das nun einmal in ihrer Natur liegt.« Yuli schwieg einen Moment lang und sagte dann: »Sie sammeln diese Gärten, nicht wahr?«
»Ich versuche, sie zu verstehen, weil ich glaube, dass ich dadurch die Arbeit deiner Mutter besser verstehen kann. Ihre Denkweise. Und ich glaube, dass ich damit meine eigene Arbeit verbessern kann. Ich will dir noch etwas zeigen«, sagte Sri, rief die Liste der Änderungen an Yulis Genom auf und markierte die Modifikationen ihrer Gehirnstruktur.
Das Mädchen zuckte die Achseln. »Man kann einen Menschen nicht verstehen, indem man seine Gene katalogisiert.«
»Ich versuche auch nicht, dich zu verstehen, Yuli. Das würde ich mir nie anmaßen. Ich versuche, die Arbeit deiner Mutter zu verstehen. Sie hat deine Gene verändert, weil das in ihrer Natur liegt. Da steckt
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