Sonnenfeuer
Lew aufgefallen, daß auch Ying jetzt einen glänzenden Revolver in einem Holster unter der Jacke trug.
Es beruhigte Lew, daß sie begriffen hatten, welche Gefahren hier lauerten. In diesem erbarmungslosen Kampf kam es unvermeidlich zu Zusammenstößen, und die Rassenunterschiede trugen das ihre dazu bei. Ein Chinese mußte immer auf der Hut sein.
»Übrigens«, sagte Ying, während er auf sein Pferd sprang, »in Charters Towers begegnet man vielen angesehenen Großgrundbesitzern und ihren Viehtreibern.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Und kürzlich habe ich gehört, daß deine junge Angebetete mit dem schönen Namen augenblicklich auf einer Farm namens Caravale residiert, die ihr …«
»Ich kenne die ganze Geschichte«, fiel Lew ihm ins Wort. Sie war also immer noch auf dem Außenposten und spielte die vornehme Farmerswitwe.
Yings Augen schlossen sich bei dieser Abfuhr zu zwei schmalen Schlitzen. »Ach so. Dann weißt du ja sicher auch, daß Miss Perfection mit dem jungen Besitzer der Farm, einem Mr. Ben Buchanan, den Bund der Ehe eingehen will.«
Lew wurde heiß und kalt zugleich. Zwar brachte er noch ein bestätigendes Nicken zustande und winkte Ying mit vorgegebener Gleichgültigkeit zum Abschied nach, doch er hatte das Gefühl, als würde ihm die Seele aus dem Leib gerissen. Seinen ersten Impuls, auf der Stelle nach Caravale zu reiten, verwarf er wieder. Dort würde er nichts ausrichten können und sich lediglich zum Narren machen – ein abgewiesener Verehrer, der die Dame seines Herzens allen Widrigkeiten zum Trotz sein eigen nennen möchte. Ben Buchanan hingegen hatte alle Trümpfe in der Hand. Hatte Perfy ihre erste große Liebe in Gestalt seines Bruders wiedergefunden? Vielleicht hatte er Perfys Absichten auch falsch eingeschätzt und sich von ihrem Charme blenden lassen. Von Anfang an hatte sie keinen Hehl daraus gemacht, daß sie sich Caravale ansehen und möglicherweise als Teilhaberin behalten wollte. Doch nie wäre ihm in den Sinn gekommen, sie könnte ihren Partner heiraten, ein Schritt, der sie nur noch reicher machte.
Lew war von Jack Middleton enttäuscht, wenn er auch verstehen konnte, daß ihm das Schicksal seiner Tochter am Herzen lag. Und was den Wohlstand betraf, da konnte ein Seemann wie Lew Cavour mit den Buchanans nicht konkurrieren.
Herbert kehrte vom Wasserlauf zurück. »Was hat das Schlitzauge von Ihnen gewollt?« fragte er.
»Nichts«, sagte Lew abwehrend. »Und wenn Sie ihn noch mal Schlitzauge nennen, dann prügel ich Sie windelweich!«
3
P erfy hätte sich gern dafür erkenntlich gezeigt, daß Mrs. Buchanan so nett zu ihr gewesen war. Doch Cornelia, wie sie sich von Perfy nennen ließ, hatte nur gelacht. »Machen Sie sich doch darüber keine Gedanken, meine Liebe. Sie haben einiges hinter sich, und bei uns hier draußen ist es üblich, daß wir uns um einander kümmern. Hauptsache, es geht Ihnen jetzt besser!«
Und es ging ihr tatsächlich besser. Als sie das Bett verlassen konnte, saß sie jeden Tag auf der Veranda, wo es kühler war als in ihrem Zimmer. Mae brachte ihr das Essen hinaus, und Cornelia kümmerte sich darum, daß sie stets etwas zu lesen hatte. In dieser angenehmen Umgebung wurde Perfy rasch gesund.
Als sie wieder zu Kräften gekommen war, spazierte sie auf der Veranda auf und ab und betrachtete neugierig das Kommen und Gehen der Viehhüter und das geschäftige Treiben auf der Farm. Oft leistete Cornelia ihr Gesellschaft und erklärte ihr, welche Arbeiten bei der Viehzucht anfielen, oder zeigte ihr von einer Anhöhe aus, wie weit sich der Grundbesitz in allen Richtungen erstreckte.
Wenn Ben abends nach Hause kam, setzte er sich zu ihr, und bei einem Aperitif plauderten die beiden über die Ereignisse des Tages. Zu Perfys Entzücken wurde das Abendessen, für das sich Cornelia und Ben eigens umkleideten, bei Kerzenlicht auf der Veranda eingenommen. Perfy wünschte sich, ihr Vater hätte all dies miterleben können.
Bald unternahm Perfy in Cornelias Begleitung Spaziergänge im Garten und setzte sich zur Rast gern unter einen der Bäume. Von dort aus fiel ihr bewundernder Blick auf das große Sandsteinhaus mit seinen roten Zedernholzschindeln, die Darcys Vater eigenhändig angefertigt hatte. Doch als sie das Haus so betrachtete, kam ihr der Gedanke, daß sie bald würde abreisen müssen. Sie konnte sich Cornelia ja nicht ewig aufdrängen. Darcy hatte gewußt, warum er mit der Planung eines eigenen Hauses begonnen hatte. Denn dieses Haus gehörte
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