Sonnenfeuer
Blumen bestickten Schal um den Kopf. Dann ging sie in die Küche, doch vor dem langen Durchgang zum Haus blieb sie stehen. Wenn sie sonst zu Perfys Zimmer gegangen war, hatte sie immer den Weg über die Veranda genommen, ohne sich etwas dabei zu denken. Doch jetzt erkannte sie, daß sie schon genauso eingeschüchtert war wie die anderen Schwarzen; sie wagte es nicht, unaufgefordert das Haus zu betreten. Dies stachelte ihre Wut nur noch mehr an.
Als sie so unschlüssig dastand, erschien Mrs. Buchanan im Gang. »Wer ist da?« rief sie und spähte in die dunkle, verlassene Küche.
»Ich bin’s, Diamond.«
»Was willst du?«
»Ich würde gern Mr. Ben sprechen.« Wie kam sie nur dazu, ihn, ihren Liebhaber, »Mister« zu nennen!
»Er ist nicht zu Hause, er ist auf einem der Außenposten. Was willst du von ihm?«
»Es ist nicht so wichtig.« Sie wollte sich schon umdrehen, da merkte sie, daß diese Frau sie wieder einzuschüchtern versuchte, und sie hielt inne. »Kann ich dann bitte Miss Perfy sprechen?«
»Sie hat zu tun, du kannst sie morgen früh sprechen.«
Hat zu tun? Im Wohnzimmer und in der Vorhalle brannte noch Licht. Was Perfy zu tun hatte, konnte höchstens Nähen oder Lesen sein, vielleicht auch Plaudern mit Mrs. Buchanan, ihrer künftigen Schwiegermutter. »Ich will sie aber jetzt sprechen«, sagte Diamond mit fester Stimme.
»Verschwinde!« befahl Mrs. Buchanan und wandte sich ab.
Doch Diamond folgte ihr. »Reden Sie nicht so mit mir! Ich wünsche, Miss Perfy zu sprechen.«
»Du wirst mit überhaupt niemandem sprechen!« herrschte Mrs. Buchanan sie an. »Und jetzt verlaß auf der Stelle mein Haus!«
Da trat Perfy aus der Wohnzimmertür. »Was ist denn los? Ach, du bist’s, Diamond. Ich dachte, du wärst beim Fest der Schwarzen.«
»Ich möchte Sie sprechen«, sagte Diamond.
»Also, so was!« Mrs. Buchanan schüttelte mißbilligend den Kopf. »Tut mir leid, Perfy. Ich habe ihr gesagt, sie soll morgen früh wieder kommen.«
»Ist schon in Ordnung. Was gibt es denn, Diamond?«
»Es ist vertraulich«, erklärte diese trotzig.
Perfy nickte und folgte Diamond ahnungslos durch die Küche auf die beleuchtete Veranda hinaus. »Was ist denn mit dir los? Du bist ja ganz durcheinander.«
Ehe Diamond wußte, wie ihr geschah, brach sie in Tränen aus. Vielleicht war es ganz gut, daß Ben nicht hier war. Vor ihm hätte sie sicherlich auch geweint.
»Komm, Diamond«, suchte Perfy sie zu trösten, »so schlimm kann es doch gar nicht sein. Gefällt es dir hier draußen nicht mehr? Das Wetter kann einem aber auch arg zusetzen.«
»Das ist es nicht. Ich muß Ihnen etwas sagen.« Sie hielt inne. Perfy wirkte so ausgeglichen und zufrieden. Und so unschuldig. Durfte sie dem Mädchen, das ihre Freundin geworden war, so einen schweren Schlag versetzen? Wie hätte Jack Middleton sich verhalten, wenn er noch am Leben gewesen wäre? Als sie darüber nachdachte, fühlte sie sich in ihrem Entschluß bestärkt. Jack Middleton hätte Krach geschlagen. Er hätte seiner Tochter die Wahrheit ins Gesicht gesagt und sich dann Ben Buchanan vorgeknöpft – genau das, was sie auch vorhatte.
»Was hast du denn, Diamond? Mir kannst du es doch sagen.«
Diamond atmete tief durch. »Es tut mir leid, Miss Perfy, wirklich, aber ich muß es Ihnen sagen. Ben ist mein Liebhaber. Schon seit einiger Zeit.« Die letzten Worte kamen nur noch flüsternd über ihre Lippen.
Perfy starrte sie entsetzt an. Sie wollte sprechen, brachte jedoch nur ein Keuchen hervor. Dann faßte sie sich wieder. »Diamond, wie kannst du nur so etwas sagen! Das ist eine unverschämte Lüge, und ich finde das sehr gemein von dir.«
»Es ist die Wahrheit. Sie dürfen ihn nicht heiraten, das können Sie nicht tun. Er hat schon die ganze Zeit mit mir geschlafen.«
Perfy hielt sich die Ohren zu. »Ich glaube dir nicht! Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in dich gefahren ist, aber ich lasse nicht zu, daß du so von Ben sprichst.«
Einige dicke Regentropfen klatschten auf die Stufen der Veranda. Diamond betrachtete sie, während sie stumm vor Perfy stand. Was konnte sie jetzt noch sagen?
»Du mußt von hier fort, Diamond. Ben wäre außer sich, wenn er das erfahren würde.«
»O ja, ich gehe. Das hat er mir auch schon gesagt. Er wollte mich loswerden, damit …« Ehe sie zu Ende sprechen konnte, stürzte Mrs. Buchanan wutentbrannt heraus. Offenbar hatte sie an der Tür gelauscht.
»Hab ich’s Ihnen nicht gesagt, Perfy, daß diese Eingeborene nur
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