Sonnenfeuer
Hier hält jeder den Mund und erzählt keinem, was der Tag gebracht hat.« Dann lachte er. »Allerdings hat ein Mann unweigerlich dieses Lächeln im Gesicht, wenn er seine Taschen gerade mit Gold gefüllt hat.«
»Aber wieso kehren sie nicht zurück, wenn sie Gold gefunden haben? Warum bringen sie sich nicht in Sicherheit?«
Dibble starrte ihn an. »Man merkt, daß Sie gerade erst angekommen sind! Warum sich mit einem Stückchen begnügen, wenn man den ganzen Kuchen haben kann? Mulligan hatte recht. Der Palmer ist mit Gold gepflastert, und keiner gibt auf, solange es noch etwas zu finden gibt.«
»Doch, ich tu’s«, erwiderte Ben. »Ich brauche nur eine bestimmte Summe, und wenn ich die habe, mach ich mich wieder auf.«
»Nein, es ist wie beim Pokern. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern um das Spiel selbst«, entgegnete Dibble.
Ben war zum Rand des Bergkamms geschlendert und folgte dem Lauf des Palmer River mit dem Blirck, als Jock McFeat zu ihm trat. »Gott schütze uns, Junge«, murmelte er, während er auf die Hügelkette am Horizont starrte. »Nimmt dieses Land denn gar kein Ende?«
Ben, der an große Entfernungen gewöhnt war, ließ sein Auge prüfend über die zerfurchte Gegend wandern. Die Uferböschung war nur etwa viereinhalb Meter hoch. Gegenüber an einer verwitterten Klippe konnte er eine rote, feuchte Wassermarke erkennen, die noch einmal viereinhalb Meter höher lag als der Punkt, an dem er stand. In der Regenzeit würde das Lager wahrscheinlich überschwemmt werden.
Er betrachtete die versetzt stehenden Bäume, deren Zweige bis auf den dicht bewachsenen Uferstreifen herabhingen, wo sich dicke Wurzeln aus der Erde wanden und die dunkelgrünen Blätter der Mangroven glänzten. Schlangennester, dachte er bei sich, dort lebten bestimmt Pythons. Fische glitten durch das träge dahinfließende Wasser. An einer seichten Stelle hatte sich ein Schilfgürtel angesiedelt und wucherte fast bis zur Flußmitte. Ein guter Platz, um Krustentiere wie Süßwasserkrabben, Hummer und Langusten zu fangen. Am jenseitigen Ufer hatte sich eine Akazie kühn zwischen die Eukalyptusbäume gedrängt, und dahinter erkannte Ben die unverwechselbaren Blätter eines einheimischen Nußbaums, die denen der Stechpalme glichen und aussahen, als seien sie mit einer Wachsschicht überzogen. Ben drehte sich um, um Jock auf den Baum aufmerksam zu machen. Diese Nüsse waren nicht nur nahrhaft, sondern auch wohlschmeckend. Aber Jock war schon zu seinem Wagen zurückgegangen.
In der Nähe des Lagers war das Ufer mit Sand und Steinen bedeckt; hie und da ragten Gestrüppstreifen hervor, auf denen nun mit Pfählen und Seilen Claims abgesteckt waren, die ihn an eine Zeile von Marktbuden erinnerten. Jeder behelfsmäßige Zaun war mit kleinen Fähnchen besteckt. Der überall verstreute Hausrat, die aufgehängten Hemden, Pfannen, Wasserbeutel, Stiefel und Kleinigkeiten verrieten, daß hier Menschen lebten und arbeiteten. In dieser Flußlandschaft wirkten sie jedoch vollkommen fehl am Platz. Ben, der gefürchtet hatte, hier öde Schluchten vorzufinden, war erleichtert. Diese Gegend erinnerte ihn an zu Hause. Nur die Bäume waren größer, und der Busch wirkte dichter, undurchdringlicher.
Wie er so zum jenseitigen Ufer spähte, zu dem die Goldsucher noch nicht vorgedrungen waren, glaubte er eine Bewegung wahrzunehmen, als ob die Bäume durch eine schwache Erschütterung kaum merklich zitterten. Er heftete seinen Blick eine Zeitlang auf einen bestimmten Baum. Da sah er sie. Zwischen den Bäumen standen regungslos hochgewachsene Schwarze, deren Hautfarbe mit dem Grau der Baumstämme verschwamm. Er konnte zwar nicht erkennen, wie viele es waren, aber dennoch sträubte sich ihm das Haar im Nacken. Diese Männer waren anders als die Schwarzen, die einem lediglich zur Last fielen, weil sie aus Hunger oder Neugierde in die Lager der Weißen kamen. Es waren Krieger, die man nicht mit einer Mahlzeit besänftigen konnte, denn ihr Land schenkte ihnen Nahrung im Überfluß.
Er beschloß, nichts über die Eingeborenen verlauten zu lassen. Es hätte ohnehin keinen Sinn gehabt. Was würden die Goldsucher schon unternehmen? Blindlings in den Busch feuern und den Schwarzen einen Grund zum Angriff geben? Ganz gleich, was Dibble gesagt hatte, Ben würde aufbrechen, sobald er eine angemessene Menge Gold gefunden hatte. Diese Gegend war ihm einfach zu gefährlich. Er betete, das Palmer-Gold möge reichen, bis auch er sein Glück gemacht hatte. Als er sich wieder
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