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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Welt bekommen. Aber wir lassen sie nicht hier rauf. Hier bist du sicher.«
    »Was ist das für ein Tal dort unten?«
    »Das ist Merkin-Land«, antwortete Luka ein wenig verstimmt, da sie sich wiederholen mußte. »Sie nennen den Fluß ihren goldenen Fluß. Aber der Fluß gehört uns. Unsere Berge bringen ihn hervor. Er entspringt zwischen den Felsen, die wir ›die zwei Schwestern‹ nennen.«
    »Kannst du mich dorthin bringen?«
    »Wohin?«
    Manchmal war für Kagari alles sonnenklar, ganz als ob die Dinge um sie herum ihr etwas zurufen würden. Sie wußte nicht, ob ihr dieses Wissen angeboren war. Vielleicht hatte sie auch nur die richtigen Schlüsse gezogen, aber etwas sagte ihr, daß vor ihr das Quellgebiet des Flusses lag, den Lew und Mr. Chin suchten. Sie hatte die Karten gesehen und genau studiert.
    »Warum nennen sie ihn den goldenen Fluß?«
    »Das weiß ich nicht«, entgegnete ihre Mutter. »Ihre Sprache ist schwer zu verstehen. Willst du auf die andere Seite der Berge?«
    »Nein, nur zum Fluß.«
    Luka lachte. »Wenn der Regen in unseren Bergen den Fluß anschwellen läßt, schwemmt er viel Wasser ins Merkin-Land hinab und bringt Kunde von den unbesiegbaren Irukandji. Dann wissen sie, daß sie uns lieber nicht zu nahe kommen sollen.«
    »Luka, weißt du, was Gold ist?«
    »Dieses Wort kenne ich nicht.« Es dauerte lange, bis sie den Fluß erreichten. Luka wollte ihre Tochter in die Geheimnisse des Landes einweihen, damit Kagari sie nach Lukas Tod weitergeben konnte. Dazu mußten sie den Rufen des Kookaburras – ihres Totems – folgen und ließen fette Würmer und kleine Eidechsen als Opfergabe für die Kookaburra-Eltern zurück. Schließlich wußte jeder, daß die Kookaburra-Eltern unermüdlich Futter für die hungrige Brut heranschaffen mußten, denn die gefräßigen Kookaburra-Jungen verließen das Nest erst, wenn sie schon fast zu schwer zum Fliegen waren.
    Endlich kamen sie zum Fluß und kletterten die Schlucht hinab, die das Wasser in Millionen von Jahren tief in die Felsen gegraben hatte.
    »Heute nacht werden wir hier schlafen«, sagte Luka. »Der Platz gefällt mir. Ich bin froh, daß wir hierhergekommen sind.«
    Eigentlich hatte Kagari einen reißenden Wasserfall erwartet, doch statt dessen gab es nur einen Fluß, der dem natürlichen Verlauf der gekrümmten Hügel folgte und in sanften Kaskaden über die Felsen dahinplätscherte.
    Sie tranken von dem kristallklaren Wasser, und Kagari badete in einem Felsenbecken. Dabei dachte sie an Ben. Immer wieder Ben.
    Während ihre Mutter für das Abendessen Fische fing, hielt Kagari nach Gold Ausschau, nach jenen gelben Steinen, die die weiße Welt erträglich machten. Sie wußte, daß sie etwas finden würde. Wenn es im Palmer dort in der Ebene Gold gab, mußte es von hier oben kommen. In der Welt der Weißen schien man über nichts anderes als Gold zu sprechen; jeder tat so, als wäre er ein Fachmann. Knapp über der Wasseroberfläche sah sie einen breiten, gelben Streifen und schwamm näher, um ihn zu untersuchen.
    Ton? Nein, dazu war er zu hart und auch wieder zu brüchig. Er glitzerte in dem sich kräuselnden Wasser. Mit dem Finger fuhr sie an der Ader entlang und lächelte.
    Sie nahm ihr Messer und brach einen Goldklumpen nach dem anderen aus dem Gestein.
    »Was machst du da?« Luka hatte sich zu ihr gesellt.
    »Mutter, das ist Gold. Ich muß es haben. Aber ich bitte dich, erzähle niemandem etwas davon, denn das würde großes Unglück über alle bringen.«
    Luka lächelte. Wenn es ihrer armen, kinderlosen Tochter eine Freude machte, sollte es ihr Geheimnis bleiben. Sie fragte sich, wann Kagari in die Traumzeit zurückkehren mußte; wahrscheinlich schon sehr bald. Sie würde sich in das Unausweichliche fügen. Man konnte sehen, daß die Götter Kagari liebten, denn sie hatten sich ihrer angenommen, Körper und Geist genährt und gestärkt. Das Mädchen war mit Klugheit gesegnet, und ihre Augen verrieten etwas von der Weisheit ihres Vaters. Vielleicht hatte er ihre Tochter zurückgeschickt, um die Bande der Trauer zu lösen, die ihr Herz seit dem Verlust ihres kleinen Mädchens gefangengehalten hatten. Nach all den Jahren hatten die guten Geister der Erde Mitleid mit ihr gehabt, und nun war sie von Dankbarkeit erfüllt.
    Als sie zu den Höhlen zurückkehrten, erfuhren sie, daß eine furchtbare Tragödie über die Irukandji hereingebrochen war. Die Frauen klagten und schrien, ritzten sich mit scharfen Steinen die Brust auf und streuten sich Sand

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