Sonnenfeuer
hübsches Haus frei geworden, und er hat uns geraten, es sofort zu kaufen. In absehbarer Zeit würde es nämlich kein passendes Heim für eine anständige Familie mehr geben.«
»Oh, das ist ja schön«, sagte Diamond gedankenverloren. Bowen lag im Norden.
»Daddy ist dann gleich zur Bank gegangen und hat dafür gesorgt, daß sie das Geld überweisen. Und jetzt besitzen wir ein eigenes Haus! Mutter freut sich so sehr, daß sie zu nichts mehr zu gebrauchen ist.«
»Ich habe gedacht, dieses Haus gehört euch.«
»Nein, das haben wir nur gemietet. Ich bin froh, daß ich jetzt endlich was für meine Eltern tun kann. Sie waren immer so gut zu mir, und dabei hatten sie wirklich kein leichtes Leben.«
»Ja, das stimmt«, meinte Diamond matt.
Wie immer war Diamond gleich zur Hilfe bereit. Mrs. Middleton hatte sich vorgenommen, das ganze Haus blitzblank zu hinterlassen, damit die neuen Mieter keinen Anlaß zu Klagen hatten. So griff Diamond nach einer Drahtbürste und putzte den Ofen innen und außen. Als sie fertig war, polierte Perfy ihn mit Ofenschwärze, bis er blitzte.
»Später fahre ich auf die Farm«, sagte Perfy.
»Auf welche Farm?«
»Darcy hat mir seinen Anteil an der Rinderfarm hinterlassen.«
Mrs. Middleton, die das Gespräch mit anhörte, spitzte die Ohren.
»Nicht, daß ich gleich losreite! Die Farm liegt Hunderte von Meilen von Bowen entfernt, und es gibt noch keine richtige Straße dorthin. Zuerst will ich mich ums Haus kümmern.«
»Könnt ihr mich nicht mitnehmen?« fragte Diamond schnell.
»Wohin?« Perfy war überrascht.
»Dort, wo ihr hinwollt. Du weißt doch, reiche Damen haben eine Kammerzofe. Die, die ins Haus des Gouverneurs kommen, haben doch auch immer ein Mädchen dabei.«
Perfy wandte sich an ihre Mutter. »Was hältst du davon?«
Alice Middleton war stehengeblieben und blickte Diamond unschlüssig an. »Einfache Leute wie wir sind an Dienstboten nicht gewöhnt.«
»Das macht doch nichts«, wandte Diamond ein. »Bitte! Ich möchte nicht bis ans Ende meiner Tage in der Wäscherei bleiben.«
Alice, die damit beschäftigt war, Töpfe und Pfannen in eine Holzkiste zu packen, schaute Diamond an. »Vielleicht ist das gar keine schlechte Idee. Wenn du mit deinem Vater nach Caravale reitest, bist du womöglich die einzige Frau unter Männern, Perfy. Mir wäre wohler, wenn du ein Mädchen dabeihättest. Außerdem ist es ein Zeichen für Vornehmheit, und sicher wird dort draußen erwartet, daß du deine Kammerzofe mitbringst. Ganz bestimmt sogar.« Sie lächelte. »Wenn Jack nichts dagegen hat, kannst du uns begleiten, Diamond.«
Als Diamond aufbrach, flüsterte Perfy ihr zu: »Daddy hat sicher nichts dagegen. Aber kannst du überhaupt reiten, Diamond?«
»Nein.«
»Dann mußt du es eben lernen. Doch damit warten wir, bis wir in Bowen sind.«
1
H erbert Watlington schlenderte fröhlich die Hauptstraße von Bowen entlang. Jetzt, gegen Ende der Regenzeit, bestand sie nur noch aus eingetrocknetem Schlamm, der von Fahrspuren zerfurcht war. Solange der Regen anhielt, mußte man durch knietiefen Matsch waten, den die rutschenden Wagenräder und die unentwegt stampfenden Pferdehufe aufwirbelten. Wenn sich jedoch die Monsunwolken auflösten und die unbarmherzigen Sonnenstrahlen vom Himmel brannten, trocknete der Lehm und wurde hart wie Stein. Was für ein Zufall, daß diese Straße ausgerechnet Herbert Street hieß – ein gutes Omen. Endlich hatten sich die Regenwolken aufgelöst. Und ihn hatte man weggeschickt! Bei diesem Gedanken mußte er lächeln, und ein entgegenkommender Herr, der sich angesprochen fühlte, tippte sich leicht an den Hut. Doch Herberts Lächeln hatte nicht ihm, sondern seinem Vater gegolten, der ihn in die Kolonien geschickt hatte, um für seine Taten zu büßen. Nach Auffassung des Colonels war dieses Land ein riesiges Armenhaus, wo Sträflinge und ihre etwas vornehmeren Zeitgenossen die schlimmsten Erniedrigungen ertrugen und gesenkten Hauptes auf den Freudentag warteten, an dem die Skandale vergessen, die Sünden vergeben waren und sie in den Schoß von Mutter England zurückkehren durften. Da hatte er sich gründlich geirrt. Zwar hatte Herbert Rückschläge einstecken müssen, doch im großen und ganzen erging es ihm großartig in Queensland. Er hatte allerdings festgestellt, daß es von Schurken und Gaunern nur so wimmelte und im Vergleich zu ihren tollen Streichen seine Vergehen harmlos wirkten.
Die Hauptstraße sah aus wie eine umgepflügte Pferdekoppel.
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