Sonnenfeuer
aber dann habe ich Glory kennengelernt, die mich liebevoll aufgenommen hat.« Das entsprach sogar beinahe der Wahrheit. Sein Aufenthalt auf den Goldfeldern war eine einzige Katastrophe gewesen. Bis er dann auf einen Mann namens Flash Jack gestoßen war, der einen reichen Fund gemacht und Herbert als Leibwächter für den Ritt nach Bowen angeworben hatte. Dabei war Herbert beileibe nicht der richtige Mann für diese Aufgabe, denn er hätte sich eher aus dem Staub gemacht als sich auf einen Kampf einzulassen. Glücklicherweise waren die Buschklepper offensichtlich gerade anderswo beschäftigt.
In diesen Wochen, in denen er Jack nach Kräften geholfen hatte, sein Geld durchzubringen, machte Herbert auch die Bekanntschaft von Glory Molloy – oder besser gesagt, sie hatte ihn sich geschnappt. Sie besaß ein verwaistes Klavier, und dieser Engländer im Gefolge von Jack Flash riß mit seinem Spiel die Gäste zu wahren Begeisterungsstürmen hin. Also bot Glory ihm die Stelle als Barpianist an, und da Herbert gerade wieder mal auf dem Trockenen saß und nicht die Absicht hatte, noch einmal nach Gold zu suchen, willigte er ein. Oft schlief er bei ihr in dem großen Daunenbett. Für eine Frau um die Vierzig, rund fünfzehn Jahre älter als er, war Glory immer noch sehr begehrenswert. Jetzt war Herbert zum wiederholten Mal Zeuge, wie sie einem neuen Kunden um den Bart ging. Die Konkurrenz zwischen den Bordellen war hart, und in der Regel ließ Glory einen möglichen Kunden nicht mehr aus ihren Fängen. Dann kam Herberts Stichwort.
»Sie können doch sicher ein Bett für Barney finden?« fragte er unschuldig. »Es muß doch einen Platz geben, wo er ein wenig ausruhen kann.«
Sie schüttelte den Kopf. »O nein, Mr. Watlington, ich habe meine Regeln, das wissen Sie. Ich kann es mir nicht leisten, ein Zimmer herzugeben, mein lieber Barney. Zur Zeit sind wir rund um die Uhr belegt, denn mein Haus ist schließlich als das beste bekannt.«
»Ach, kommen Sie, Glory«, bat Herbert. »Ich bin sicher, Barney würde Ihnen den entsprechenden Verlust ersetzen. Was hat das Geld denn überhaupt für einen Nutzen, wenn man nicht das kaufen kann, was man braucht?«
»Er hat absolut recht«, stimmte Barney eifrig zu, holte einen kleinen Beutel aus seiner zerschlissenen Weste und warf ihn auf den Tisch. »Wie wär’s damit für den Anfang? Behalten Sie es, Mrs. Molloy, und lassen Sie mich wissen, wenn es aufgebraucht ist.«
Glory griff nach dem Gold. »Nun, ich könnte vielleicht eine Ausnahme machen …«
Barney sprang auf. »Sie werden es nicht bereuen, meine Liebe.«
»Charlene!« rief Glory, und der strahlende Barney wurde von einem drallen blondgelockten Mädchen mit wogendem Hinterteil hinausgeleitet.
»Ich wollte dich sprechen«, wandte sich Glory nun an Herbert. »Das Giesler-Haus steht zum Verkauf.«
Sie hatte Herbert seinerzeit neue Kleider besorgt und ein kleines Büro neben dem Palace Hotel für ihn angemietet. »Ich finde, mit deinem guten Aussehen und deiner feinen englischen Stimme mußt du einfach ins Geschäftsleben einsteigen«, hatte sie ihm erklärt.
»Und in was für Geschäfte?«
»So genau weiß ich das nicht, aber klingt es nicht äußerst ehrbar? Ich möchte, daß du Landwirtschaftsmakler wirst.«
»Ein was? Ich habe keine blasse Ahnung von Landwirtschaft, und außerdem hasse ich Kühe.«
Glory überlegte. »Geschäfte sind dazu da, daß man den Leuten das Geld abnimmt, Herbie. Im Augenblick kommen ganze Wagenladungen neuer Kunden nach Bowen. Wie wär’s dann mit Haus- und Grundstücksmakler?«
»Und wie stelle ich das an?«
Wenn Glory sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Entkommen. So war Herbert nun schon seit einigen Monaten »Geschäftsmann«. Da Glory über alles Bescheid wußte, was in der Stadt vorging, war sie ihm als stiller Teilhaber von großem Nutzen.
Nun ging es also um das Giesler-Haus, das schönste Gebäude der Stadt. Giesler selbst hatte es im britischen Kolonialstil erbaut. Noch in England hatte Herbert bei seinen Freunden und seiner Familie Zeichnungen und Photographien ähnlicher Gebäude gesehen, angenehm kühl wirkende Häuser mit geräumigen Veranden und Fenstertüren, die nach außen zu öffnen waren, um die kühle Brise einzulassen.
»Warum will Giesler verkaufen?«
»Weil er auf den Goldfeldern ein Vermögen gemacht hat. Er hat so viel Geld, daß er jetzt mit seiner Familie zurück nach Deutschland geht und dort glücklich bis an sein Ende leben
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