Sonnenfeuer
Frauen zugeben, daß sie Herbert schon in einem Bordell begegnet waren. Die Verschwörung der Männer bewährte sich in dieser neugegründeten Stadt ebensogut wie in England. Aber zum Glück verspürte Jack Middleton keine Neigung, die Stadt von ihrer anrüchigen Seite kennenzulernen; er lebte für seine Familie. Als sie die Landkarten der Umgebung studierten, hatte Jack schließlich doch erwähnt, seine Tochter sei Teilhaberin der Caravale-Farm und müsse nur noch auf die Ausstellung der Besitzurkunde warten. Natürlich wußte auch Herbert, daß diese Angelegenheiten lange dauerten, da die Dokumente in Brisbane ausgefertigt wurden. Doch im Grunde genommen hatte Herbert auch ein ganz eigennütziges Interesse. Wenn Perfy ihren Anteil an Caravale verkaufen würde, wovon er überzeugt war, hoffte er, den Verkauf für sie abwikkeln zu können; bei einem Geschäft in dieser Größenordnung müßte eigentlich eine ordentliche Provision für ihn herausspringen. Außerdem hatte er nun die Bestätigung, daß Perfy tatsächlich eine wohlhabende junge Dame und somit keine schlechte Partie war.
Sie war ein sehr hübsches Mädchen, natürlich und ungezwungen, aber leider auch ziemlich launisch. Manchmal zeigte sie sich recht gesprächig, verfiel dann aber zuweilen in langes, trübsinniges Schweigen. Wenn sie aber etwas sagte, war sie erstaunlich unverblümt. Herbert hatte beschlossen, ihr den Hof zu machen, wenn er erst einmal besser mit ihr bekannt geworden war, aber er wußte nicht, wie er es am besten anfangen sollte. »Versuch einfach nur, ihr Freund zu sein, mein lieber Herbert«, riet Glory. »Jedes Mädchen braucht einen Freund, und wenn er noch dazu ein gutaussehender Gentleman ist, der mit ihren Eltern auf gutem Fuße steht …«
»Du hast gut reden. Sie hat zwei völlig gegensätzliche Seiten, und ich weiß bei ihr nie, woran ich gerade bin.«
»Ach, das ist bei den jungen Damen ein beliebtes Spiel. Denk dir nichts dabei.«
Herbert war sich da allerdings nicht so sicher. Und er dachte nicht im Traum daran, Glory zu sagen, daß Perfy Middleton mit ihrer einfachen Herkunft in seinen Augen kaum als feine Dame gelten konnte. Für einen ehemaligen Sergeant bei der Armee war Jack Middleton ja ein ganz annehmlicher Bursche, aber Herberts Vater hatte als Oberst bei den Coldstream Guards gedient, und seine beiden Brüder waren jetzt ebenfalls Offiziere in diesem Regiment. Das würde Jack sicherlich beeindrucken und konnte ihm, Herbert, von Nutzen sein, wenn die Zeit gekommen war.
Er verließ sein Büro, und während er die Straße hinunterging, überlegte er, ob er sich eine Pistole kaufen sollte. Bowen hatte sich verändert. Man mußte damit rechnen, daß es hier durch den Zustrom von Goldgräbern aus aller Herren Länder bald noch rauher zugehen würde, denn schon jetzt tummelten sich jede Menge Betrunkene und Raufbolde in der Stadt. Die beiden Polizisten des Ortes hatten die Lage zwar noch im Griff, aber in letzter Zeit drängten zusätzlich Hunderte von Chinesen in die Stadt. Überall stieß man inzwischen auf die Schlitzaugen mit ihren Zöpfen und ihren hohen, leiernden Stimmen, und es war schon zu häßlichen Auseinandersetzungen gekommen. Manch ein Raufbold machte sich einen Spaß daraus, die »Söhne des Himmels«, wie sie sich selbst nannten, zu verprügeln, und diese setzten sich mit Messern zur Wehr, was allgemein als unfair galt. Die Diebstähle und Raubüberfälle nahmen überhand, und man konnte sich nachts auf der Straße kaum noch sicher fühlen.
Die Viehtreiber kamen grundsätzlich nur bewaffnet in die Stadt. Daran hatte bislang niemand Anstoß genommen, denn sie brauchten die Waffen, um sich im Busch gegen Angreifer zu verteidigen. Doch inzwischen traf man auch immer mehr Einheimische mit einem Pistolengürtel. Dafür gab es gute Gründe; so mancher war schon beraubt worden, und ob es nun berechtigt war oder nicht, immer schob man den Chinesen die Schuld in die Schuhe. Da den beiden Polizisten die Schwierigkeiten langsam über den Kopf wuchsen, hatten sie von der berittenen Polizei, die weiter nördlich in Townsville stationiert war, Hilfe angefordert. Dort hatte man allerdings selbst alle Hände voll zu tun. Kürzlich war ein neuer und schnellerer Weg von Townsville zu den Goldfeldern am Cape River entdeckt worden, und jetzt wuchs diese Stadt mit rasender Geschwindigkeit. Erfolgreiche Goldgräber brachten ihre Ausbeute nun nach Townsville anstatt nach Bowen, gingen dabei aber ein größeres Risiko ein,
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