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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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trug er einen Anzug statt Springerstiefel und Bomberjacke. Er sah richtig elegant aus! Eine Zeit lang trafen wir uns dann recht oft, und es war ein wenig wieder wie als Kinder. Ich habe dann schon bald gemerkt, dass er sich nicht wirklich geändert hat, aber ich verdränge diesen Teil halt einfach , so gut es geht. Ich meine, ich verabscheue seine politischen Ansichten, aber wir vermeiden das Thema, wenn wir uns sehen. Er ist mein Bruder. Mein einziger.» Ihre Augen blitzten mich herausfordernd und, wie mir schien, auch etwas trotzig an.
    Etwas nagte an mir. Ich blätterte nochmals in meine m Notizblock. «Eine Frage noch: Wissen sie, wo er die Rekrutenschule gemacht hat? Bei welcher Truppen gattung?»
    «Nein, keine Ahnung. Wissen sie, ich bin gegen die Armee.»
    «Wohin musste er denn jeweils?»
    «Irgendwo im Tessin, glaube ich. Losone oder Isone oder so.»
    Das war nun doch ein ziemlicher Unterschied, was die Ausbildung anbelangte. Deshalb hakte ich nach: « Lo sone oder I sone?»
    Sie überlegte kurz. Dann sagte sie bestimmt: «Isone!»
    «Sind sie sicher?»
    «Ja, ich erinnere mich. Mein Vater war so stolz darauf.»
    Das bedeutete, Rappolder war nicht bei der beschaulichen Sanität, sondern bei den Grenadieren ausgebildet worden, einer Elite-Einheit der Schweizer Armee.
    «Hat er die RS abgeschlossen?»
    «Ja, er wollte auch unbedingt weitermachen.»
    «Und hat er?»
    «Ja, er war in der… was kommt als nächstes?»
    «Im damaligen System die Unteroffiziersschule.»
    «Ja, die Unteroffiziersschule. Die hat er gemacht.»
    «Macht er immer noch Dienst?»
    «Nein. Er wurde zwar befördert, aber dann beim… na, wie nennt man das danach…?»
    «Abverdienen?» Damals mussten in der Schweizer Armee die meis ten Unter offiziers- und Offiziersgrade abverdient werden. Das bedeutete, dass die Person nach der Ausbildung zu einer bestimmten Funktion eine Rekrutenschule lang in dieser Funktion Dienst tat. Und zwar auf jeder Stufe. Das heisst, ein Offizier musste immer zuerst auch als Unteroffizier gedient haben. Ich hatte von Steiner gehört, dass dieses bewährte System vor ein paar Jahren geändert worden war, seiner Ansicht nach klar zum Nachteil der Qualität der ausgebildeten Kader.
    «Ja, genau, abverdienen!» Sarah Rappolder nickte lebhaft und fuhr dann fort: «Also, als er abverdiente , ist irgendwas vorgefallen. Ich weiss nicht genau was, aber auf jeden Fall wurde er nach Hause geschickt . U nd seitdem leistet er keinen Militärdienst mehr.»
    Auch das notierte ich mir. Dann fragte ich: «Sie beide verstehen sich jetzt also wieder?»
    « Mehr oder weniger.»
    «Eher mehr oder eher weniger?»
    «Es geht mal auf und mal ab. Immer, wenn er anfängt, mir Vorschrif ten zu machen, geht’s bergab. Das kommt aber nicht mehr so oft vor. Und seit Mujo plötzlich verschwand, war Karl-Johann öfters hier und hat mir Gesellschaft geleistet. Das habe ich sehr geschätzt. Im Moment verstehen wir uns also recht gut.»
    Sie blickte mich mit einem seltsamen Ausdruck an . «Wissen Sie, ich dachte, Mujos Frau sei dahintergekommen und er hätte deshalb jeden Kontakt zu mir abgebrochen.»
    «Hätte Sie das gestört, wenn seine Frau Bescheid gewusst hätte?»
    «Natürlich! Ich hätte mir ja nie vorstellen können, einmal die andere Frau zu sein. Aber mit Mujo… na ja…» Sie stockte. «Ich meine, ich…  ich habe ihn geliebt… das ist alles so falsch. Wir hatten Pläne…» Ihre Stimme brach. Einen Moment lang befürchtete ich, sie würde erneut in Tränen ausbrechen, aber sie fing sich wieder und meinte: «Wissen Sie , natürlich hat es mich gestört, dass er verheiratet war… A ber er wollte sich von seiner Frau trennen, damit wir zusammen sein konnten. Sobald es ihr besser ging.»
    Es war nicht meine Aufgabe, sie darauf hinzuweisen, dass wohl jeder ehebrechende Mann seiner Geliebten so etwas auftischt e . W ieso sollte sich sonst eine junge, attraktive Frau überhaupt auf sowas einlassen? Aber stattdessen fragte ich: « Wie meinen Sie das? War sie denn krank?»
    «Sie hatte wohl psychologische Probleme. Mujo sagte, sie sei vom Krieg traumatisiert. Beide haben den Bosnienkrieg miterlebt, wissen sie.»
    Ich nickte und antwortete: «Ja, ich weiss. Mujo war nicht traumati siert?»
    «Er war sehr melancholisch und konnte Tunnel nicht ertragen. Zumindest hat er mir das erzählt. Wir waren ja fast immer nur hier bei mir. Sonst ist mir nichts aufgefallen.»
    Es war mir immer noch ein Rätsel, wie die zwei überhaupt zu sam men ge fun

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