Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Lächeln keinen Erfolg brachte, so mussten die richtigen Worte den Job übernehmen. «Wie gesagt, es geht um ihren Bruder, Frau Rappolder. Und um Mujo Hasanović.»
Der Name traf sie unvorbereitet, wie ein Schlag in die Magengrube. Sie zog scharf den Atem ein und wurde ganz bleich. Eine ganze Weile lang starrte sie mich wie vom Donner gerührt mit versteinerter Miene und offenem Mund an.
Ich schwieg und wartete.
Irgendwann erwachte sie aus ihrer Erstarrung , aber nur, um mir ohne ein weiteres Wort die Tür vor der Nase zu zuknallen .
Was nun? Ich rührte mich nicht vom Fleck, und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie die Tür wieder aufriss . Mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete sie mir, ich solle he reinkommen.
An den Wänden des Flurs hingen Nachdrucke von Dalís ‹Der grosse Mastur bator› und ‹Die brennende Giraffe› sowie eines weiteren Werks, das ich nicht erkannte. Sie führte mich direkt in die Küche. Dort hing ‹Die Beständigkeit der Erinnerung›, wohl Dalís bekanntestes Gemälde. Fiona versucht e krampfhaft , einen kultivierten Menschen aus mir zu machen. Bisher zwar mit mässigem Erfolg, aber ein paar Dinge waren wohl doch hängen geblieben.
Diese offensichtliche Vorliebe für Dalís düstere Werke schien mir nicht recht zu dieser als lebensfroh und charmant beschriebenen jungen Frau zu passen, und so fragte ich überrascht: «Sie mögen Dalí?»
Sie blickte mich erstaunt an und meinte dann ein wenig trotzig: «Ich mag alle Surrealisten. Arp, Breton, Ernst, Míro, Dalí, Wunderlich und die ganzen anderen, jeder spricht auf seine Weise zu mir. Auch Buñuels Filme mag ich.»
«Sie wissen aber, dass Salvador Dalí aus der Surrealistengruppe um André Breton ausgeschlossen wurde? So um 1940, glaube ich.»
«1939», korrigierte sie mich, «beziehungsweise das erste Mal schon 1934. Definitiv dann 1939.» Dann fragte sie abrupt: « Sagen Sie, w ollen Sie auch eine Tasse Kaffee?»
Wollte ich das jemals nicht?«Ja, Kaffee wäre super, danke.»
Während sie an der teuer wirkenden Kaffeemaschine herum han tierte, fragte ich: «Dieses dritte Bild im Flur, das mit der steinernen Frau unten rechts… ist das auch ein Dalí?»
«Max Ernst», belehrte sie mich über die Schulter, während sie Milch schäum te. «Es heisst ‹Das Auge der Stille›. Entstanden 1943/44 im Exil in den USA. Die Na zis hatten seine Bilder zuvor als entartet eingestuft.»
Sie reichte mir eine Tasse lecker aussehenden Cappuccino und kam dann unvermittelt auf unser vorheriges Thema zurück : «Wieso fragen Sie? Mögen Sie Dalí?»
Ich überlegte kurz. Mochte ich Dalí? «Eigentlich nicht», antwortete ich schliesslich ehrlich , «seine Technik fasziniert mich, aber seine Bilder sind mir irgendwie zu düster und abgehoben.»
Sie schüttelte ihren Wuschelkopf: «Ich liebe Dalí.» Dann wechselte sie erneut jäh das Thema. «Sie Sie Polizist?»
«Ich war ‘ s.»
«Aha. Und wieso haben Sie aufgehört?»
«Verschiedene Gründe. Hauptsächlich, weil ich musste.»
«Und jetzt?»
«Bin ich Privatermittler.»
Sie schien abzuwägen, ob das stimmen konnte , und starrte dabei schweigend auf ihre Tasse.
Ich wartete.
Schliesslich blickte sie wieder auf. Ihre Augen hatten nun einen feuchten Glanz, als sie mit gepresster Stimme fragte: «Und wieso fragen Sie nach Mujo?»
«Sie kannten ihn.»
Sie nickte trotzig. «Ja, ich kenne ihn. Das ist nicht verboten, oder?»
Wieder sprach jemand in der Gegenwartsform von Hasanović . Im Gegensatz zur Eisprinzessin konnte ich bei Sarah Rappolder nicht mangelnde Sprach kennt nisse dafür verantwortlich machen, und so wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Daher reagierte ich schroffer, als ich es eigentlich wollte, und sagte barsch: « Und Sie hatten eine Affäre mit ihm.»
Sie zuckte zusammen. Dann fragte sie wütend: «Was fällt Ihnen ein?»
Ich hatte sie absichtlich provoziert, und ihr Zorn kam plötzlich, jedoch nicht unerwartet, wenn ich an die Begegnung mit ihrem Bruder dache. Der Jähzorn schien in ihren Genen zu liegen. Sie sprang auf, und die Farbe ihres Gesichts näherte sich rapide der Farbe ihrer Haare an, als sie empört hervorstiess: «Verschwinden Sie sofort aus meiner Wohnung! Oder ich hole die Polizei!»
Ich blieb ruhig. «Schauen Sie, Frau Rappolder, ich weiss, dass Mujo Hasano vić öfters bei Ihnen war, und zwar vor allem abends und nachts. Sie müssen zugeben, dass das sehr nach einer Affäre klingt.»
Sie starrte mich zornig an und
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