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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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später hatte ich dann von seiner Schwester gehört, dass er im Anschluss daran nach Kroatien zurückgegangen war und da im jugoslawischen Bürgerkrieg gedient hatte. Nach dem Ende dieses unsäglichen Konflikts war er in die Schweiz zurückgekehrt. Und wer war die erste Person gewesen , die ihm über den Weg gelaufen war und mit der er gleich eine ausgedehnte Sauftour machen konnte ? Natürlich meine Wenigkeit . Seit her waren wir eng befreundet.
    Alenkas Stimme riss mich aus meinem nostalgischen Schwelgen. Sie murmelte etwas auf Kroatisch und schob Hasanovićs Tagebuch zu Ivica herüber. Die beiden sprachen sonst fast immer Deutsch mit einan der, wenn ich dabei war. Sein Inhalt schien sie also zu beschäftig en . Ivica stellte sein Bier ab, nahm das Büchlein an sich und begann eben falls darin zu blättern. Schliesslich gab er es ihr zurück und drehte sich zu mir um.
    «Okay», sagte er, «es ist kein Tagebuch.»
    «Ist es nicht?», fragte ich enttäuscht.
    «Nein.»
    «Und was dann?»
    Alenka mischte sich ein und sagte: «Schwer zu sagen. Es ist ein wirres Gemisch von Gedichtfetzen, Namen und Adressinformationen sowie kurzen Notizen. ‹Milch kaufen nicht vergessen›, solches Zeugs.»
    «Ich kenne keins der Gedichte», meinte Ivica nachdenklich und schaute seine Frau fragend an. Diese schüttelte den Kopf und ergänzte: «Aber manche Passagen kommen in verschiedenen Variationen vor. Am Anfang noch etwas holprig, dann immer geschliffener. Ich würde sagen: s elbst geschrieben.»
    «Und worum geht es?»
    «Verwüstung, Krieg, Tod. Oh, und irgendein Tunnel kommt immer wieder vor. Das Ganze ist ziemlich düster.» Sie musterte mich und fragte: «Woher hast du dieses Ding ?»
    «Es hängt mit dem Fall zusammen , an dem ich momentan arbeite . Es ist mir sozusagen in die Hände gefallen.»
    « Welcher Fall? Der tote Bosnier?»
    «Ja, genau.»
    «War es seins?»
    «Ja.»
    «Und von wem hast du’s? Von seiner Frau?»
    «Nein.»
    Alenka liess nicht locker. « Von wem dann?»
    «Kann ich nicht sagen.»
    «Kannst du nicht oder willst du nicht?»
    «Darf ich nicht. Ich hab’s der betreffenden Person versprochen.»
    Alenka starrte mich ungläubig an und meinte beleidigt: «Aber wir sind deine Freunde!»
    Ivica grinste. Alenka bemerkte es und fauchte ihn irritiert an: «Was?»
    Er grinste noch breiter , als er antwortete: « H ast du bemerkt, wie clever er die Antwort formuliert hat?» Er äffte meine Stimme nach und wiederholte: «‹Ich hab’s der betreffenden Person versprochen›…! » Er zwinkerte seiner Frau zu und ergänzte : « Na, lass es. Du weisst, wie er ist. Versprochen ist versprochen.»
    Ungeduldig erinnerte ich die beiden daran, weshalb wir eigentlich hier waren. «Gibt es in den Gedichten irgendwelche Hinweise darauf, weshalb oder von wem er ermordet worden sein könnte?»
    Ivica schüttelte den Kopf und schaute seine Frau fragend an. So war das immer mit den beiden. Ivica trug die Muskeln zum Teamwork bei, Alenka war die Denkerin. Sie schüttelte ebenfalls den Kopf und antwortete: «Ich kann es mir nicht vorstellen. Die meisten sind keine ganzen Gedichte, nur so ein paar Zeilen. Und es kommen nur Gefühle und Stimmungen vor, keine Orte oder Menschen.»
    «Was ist mit dem Tunnel?»
    «Nichts weiter. Es geht einfach um einen Tunnel. Ich glaube, das ist symbolisch gemeint.»
    «Wie meinst du das?»
    «Was weiss ich. Als Symbol eines Übergangs? Als Ort des Schre ckens?»
    Ich nickte zum Zeichen, dass ich sie verstanden hatte. «So wie das Mordtal.»
    «Was?» Alenka starrte mich verständnislos an.
    «Adelbert von Chamisso? Das Mordtal ? »
    Sie schüttelte nur den Kopf und seufzte. «Du bist ein schräger Typ.»
    Da war sie nicht die einzige, die das fand .
    Ich spürte meine Felle davonschwimmen. Das kleine Büchlein war meine letzte Hoffnung gewesen. Wie sollte es nun weitergehen? Na gut, ich konnte natürlich nochmals mit Blerim sprechen und diesmal etwas gröber auftreten , aber das brachte wahrscheinlich auch nicht viel. Wenn er nichts wusste, dann wusste er nichts. Die albanische Minderheit in der Schweiz war verschwiegen, und der in illegale Aktivitäten verwickelte Teil sowieso.
    Alenka sah die Enttäuschung auf meinem Gesicht und meinte besänf ti gend: «Da sind aber noch ein paar Namen. Drei, genau genommen. Vielleicht helfen dir die weiter?»
    Sofort schöpfte ich wieder ein wenig Hoffnung. «Zeig mal her.»
    Sie legte das aufgeschlagene Büchlein in die Mitte des Tischs und zeigte mit dem

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