Sonnenfinsternis: Kriminalroman
weiteren Runde Bier und ein wenig Smalltalk über dies und das brachten Ivica und ich Alenka nach Hause und machten uns dann auf den Weg ins Si u No , wo wir in unser übliches Muster verfielen. ‹Nur ein Bier› wurde zu ‹vielleicht zwei›, dann zu ‹na gut, drei›, später zu ‹noch ein letztes›, schliesslich zu ‹noch eines für auf den Weg› und so weiter. Später spülten wir mit Schnäpsen nach, und um halb vier Uhr nachts fiel ich schliesslich sturzbesoffen in mein Bett. Positiv daran war immerhin, dass meine Schmerzen wie weggeblasen waren. M it der eigenartigen Ernsthaftigkeit eines Betrunkenen studierte ich eine Weile daran herum , wie ich überhaupt nach Hause gefunden hatte, dann kicherte ich seelig und schlief benebelt ein.
Kapitel 22
Am nächsten Morgen stellte ich wieder einmal fest, dass ich zu alt wurde für diesen Scheiss. Das Leben war einfach zu kurz für den Kater, der ein em Abend mit Ivica unweigerlich folgte . Wenigstens waren mein e Schmerzen gut verteilt : Vorne spürte ich das übliche alkoholbedingte Stechen hinter der Stirn , links pochte die Wunde an meiner Schläfe , und in der Mitte brannte mein blaues Auge. Meine Zähne taten ebenfalls weh, vom Rest meines Körpers ganz zu schweigen.
Ich machte mir ein ausgiebiges Katerfrühstück, ass es im Stehen und duschte dann erst einmal eiskalt. Dann zog ich mich an, drehte in der kalten Morgenluft eine Runde zu Fuss um den Häuserblock und duschte nochmals eiskalt. Drei grosse Tassen Kaffee später fühlte ich mich schon fast wieder wie ein Mensch.
Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war s chon fast neun . Ich griff nach dem Telefon und rief Mareille Brons Nummer an. Der blasierten Rezeptionistin am anderen Ende erklärte ich, dass ich beruflich mit ihrer Chefin sprechen müsse. Sie liess mich herablassend wissen, dass ‹Frau Doktor› komplett ausgebucht sei und die nächsten zwei Wochen sicher keine Zeit habe . Dann legte sie auf, ohne meine Antwort abzuwarten. Nett.
Ich trank eine weitere Tasse Kaffee mit viel Zucker , wartete eine halbe Stunde und rief nochmals an, diesmal von meinem Handy aus. Statt meines üblichen Ostschweizer Idioms sprach ich Zürcher Dialekt. Alle meine Zürcher Bekannten hätten sich wahrscheinlich darüber kaputt gelacht, aber zumindest schien es die Rezeptionistin davon zu überzeugen, dass ich tatsächlich dringend Hilfe brauchte.
«Und was ist der Grund ihrer Konsultation?», fragte sie mich von oben herab.
«Alkoholprobleme.»
«Ich verstehe. Wir hätten da nächste Woche am Dienstag noch einen Termin frei. Elf Uhr dreissig?»
«Ich denke nicht, dass das reichen wird. Ich brauche wirklich so schnell wie möglich einen Termin. Doktor Bron wurde mir wärmstens empfohlen.» Ich machte eine Pause und ergänzte dann: «Ich bin auch bereit, sofort bar zu bezahlen.»
Sie klang ein klein wenig interessierter, als sie antwortete: «Ich werde sehen, was sich machen lässt. Sie müssen verstehen, Frau Doktor ist eine Koryphäe auf ihrem Gebiet und…»
Ich blendete den Rest aus. Ihr Geplapper war nicht gut für meinen Kater.
«Sind S ie noch da?», fragte sie eine Minute später. Ohne auf meine Antwort zu warten, fuhr sie nahtlos fort: « Also, h eute Nachmittag um sechzehn Uhr dreissig ist gerade noch etwas frei geworden.»
«Was S ie nicht sagen. Wirklich?»
Falls sie den sarkastischen Unterton in meiner Stimme bemerkt hatte , liess sie sich nichts anmerken. «Ja. Ginge I hnen dieser Termin?»
«Ich werde da sein. Wie finde ich S ie am schnellsten?»
Sie erklärte mir den Weg, dann erlag ich der Versuchung und been de te das Gespräch einem fröhlichen Tüdeldü! Mina wäre stolz auf mich gewesen.
Anschliessend rief ich auf der Gemeindeverwaltung in Frenkendorf an und liess mir die Telefonnummer der örtlichen Schulleiterin, einer Frau Mathis, geben. Frau Mathis war nicht besonders freundlich und informierte mich kurz und bündig, dass Frau Roulet bereits vor ein paar Jahren plötzlich verstorben sei und sie mir leider auch nicht weiterhelfen könne. Dann legte sie auf.
Nach einer Tasse schlechtem Kaffee versuchte ich mein Glück beim Grenadier kommando 1 in Rivera und wurde prompt an das Kommando Grenadier schu len in Isone weiter verwiesen. Geduldig rief ich auch dort an, und schliesslich gelang es mir mit grosser Beharrlichkeit, einen alten Stabsadjutanten ans Telefon zu kriegen, der sich an Rappolder erinnerte. Nachdem ich ihm die Sachlage erklärt hatte, gab er mir bereitwillig
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