Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Finger auf eine bestimmte Textstelle. Ich musste beinahe lachen. Der Eintrag bestand aus einem Namen und einer Telefonnum mer. Da alles im Büchlein in lateinischer, nicht in kyrillischer Schrift geschrieben war, hätte ich ihn auch ohne fremde Hilfe lesen können.
Mareille Bron stand da blau auf weiss, gefolgt von einer Telefon num mer mit nulldreiundvierziger Vorwahl. Eine Nummer im Gross raum Zürich. Ich kopierte den Eintrag in mein eigenes Notizbüchlein. Dann fragte ich Alenka neugierig: «Ist es normal, dass Bosnisch mit la tei ni schen Buchstaben geschrieben wird? Ich dachte, die Balkan sprachen verwenden das kyrillische Alphabet.»
«Es gab im Lauf der Geschichte mehrere Alphabete, die verwendet wurden», erklärte sie, «sowohl lateinische wie auch andere. Im Mittelalter wurde vor allem Bosančica verwendet, eine spezielle kyrillische Schrift. Serbokroatisch wurde auch lange mit kyrillischer Schrift geschrieben, aber heute schreiben die Bosnier, Kroaten und sogar viele Serben alles mit lateinischen Buchstaben. Es ist also nicht ungewöhnlich.»
Ich blickte sie vielsagend an und meinte: «Für eine Bauerntochter weisst du erstaunlich viel über nutzlose Dinge.»
«Nicht wahr?», grinste sie zurück. Ivica zog ebenfalls die Mund winkel hoch. Ungeduldig fragte ich: «Was ist mit den anderen Namen?»
Alenka blätterte weiter bis etwa zur Mitte des kleinen Büchleins, fand die gesuchte Seite und legte den Finger auf eine Stelle mitten in einem Satz. «Hier, da sind noch zwei. Einer ist gleich da…» Sie blätterte um, zeigte auf eine andere Textstelle und fuhr fort: «…und der andere da.»
Ich blätterte nochmals zurück. Den zweiten Eintrag hätte ich vielleicht noch selbst gefunden, da daneben ebenfalls eine Telefon num mer stand , aber beim dritten hätte ich nicht einmal bemerkt, dass es sich um einen Personen namen handelt e . Beide Einträge waren jeweils in einen längeren Satz eingebettet. Zur Sicherheit fragte ich Alenka: «Bist du sicher, dass das Namen sind?»
Sie nickte und antwortete entschieden: «Natürlich!» Dann nahm sie mir das Büchlein wieder aus der Hand, blätterte zurück und zeigte mit dem Finger auf den zweiten Namen.
«Hier, dieser Name… Zlatan Begić , das ist wahrscheinlich ein Bosnier, es könnte aber auch ein Kroate, Slowene oder Serbe sein. Kann man nicht wirklich sagen.» Sie warf einen Blick auf die Telefonnummer dahinter. «Drei und vierzi ger vorwahl… wieder eine Nummer in Zürich.»
«Nein», widersprach ich ihr, « s chau mal hier: Siehst du hier das Pluszeichen? Das ist die Landesvorwahl. Österreich. Dahinter kommt dann die Vorwahl Eins . So wie ich Österreich kenne, muss das Wien sein.»
«Bist du sicher?»
«Ziemlich sicher. Wie lautet der dritte Name?»
Alenka blätterte um und zeigte auf die entsprechende Stelle.
Luka Princip , stand da. Die Passage schloss mit einem Frage- und einem Ausrufezeichen. Ich schaute Alenka fragend an. «Was bedeutet der ganze Satz?»
«Hier steht: Was soll ich wegen Luka Princip unternehmen ? »
«Könnte das wieder eine Gedichtzeile sein?»
«Ich glaube nicht. Eher eine Randnotiz. Schau dir den Stift an… das ist ein Kugelschreiber. Die Gedichteinträge sehen aus, wie wenn sie mit einem Füller geschrieben worde n sind . Ich denke, Luka Princip ist eine reale Person.»
«Aber keine Telefonnummer wie bei den anderen, oder?»
Sie schüttelte den Kopf.
«Okay», sagte ich nachdenklich, «und gibt es sonst noch irgendwas, das für mich relevant sein könnte?»
«Nein, das war alles, was ich finden konnte. Wenn du willst, lese ich es nochmals durch.»
«Wärst du so lieb?»
Alenkas zweiter Durchgang durch das seltsame Büchlein dauerte nochmals etwa eine Viertelstunde, aber leider brachten ihre Mühen keine weiteren Anhaltspunkte zu Tage. Immerhin hatte ich nun wieder etwas, dem ich nachgehen konnte.
Als Erstes kümmerte ich mich um die Nummer in Österreich. Rasch fand ich heraus, dass s ie tatsächlich zu einem Wiener Anschluss gehörte, aber es ging niemand ans Telefon, als ich dort anrief . Na ja, es war Sonntag. Die Google-Suche nach dem Namen Luka Princip war ebenfalls erfolglos. Dafür fand ich nach kurzer Suche heraus, dass Mareille Bron eine Psychotherapeutin in Urdorf im Westen Zürichs war, etwa zehn Minuten von Hasanovićs Wohnung und vielleicht fünf Minuten vom bosnischen Džemat entfernt. Ich probierte auch diese Nummer aus und hatte erwartungsgemäss auch diesmal keinen Erfolg .
Nach einer
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