Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Scherz gewesen sein musste und schmunzelte. Trotzdem sagte sie: «Wissen S ie, der erste Schritt ist immer, das Problem zuzugeben.»
«Das stimmt», erwiderte ich, «und wahrscheinlich trinke ich tat säch lich zu viel, aber darum bin ich nicht hier.»
Erstaunt fragte sie: «Weshalb dann? Haben S ie nicht deshalb einen Termin gebucht?»
«Doch, und ich habe auch schon bezahlt und gedenke daher , die volle Stunde auszunutzen. Aber ich bin nicht hier, um über mich zu sprechen. Der Vorwand schien mir einfach die schnellste Möglichkeit, an Mrs. Macready vorbei zu kommen.»
«Mrs. Macready?»
«Die Dame am Empfang? Narnia? Die Haushälterin des Professors?»
Einen Augenblick lang starrte sie mich entgeistert an. Dann fiel der Groschen plötzlich. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. Es war ein warmes, angenehmes Lachen. Die Frau war mir sympa thisch. Aber laut Fiona fand ich sowieso alle Menschen sympathisch, die über meine Witze lachten .
Als sich die gute Frau Doktor wieder beruhigt hatte, blinzelte sie mich an und meinte kichernd: «Sie sind mir einer! Also wirklich! Aber ja, es hat schon was!»
«Nicht wahr?» Ich zwinkerte ihr zu.
Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, blickte s ie mich nach denklich an und meinte: «So, nachdem wir nun herausgefunden haben, dass ich mich durchaus unprofessionell verhalten kann, wenden wir uns am besten wieder I hnen zu. Was genau wollen S ie von mir?»
«Ich muss mit I hnen über einen I hrer Patienten sprechen.»
Ihre Miene wurde augenblicklich abweisend. «Tut mir leid. Die Gespräche mit meinen Patienten sind streng vertraulich.»
«Der besagte Patient lebt aber nicht mehr.»
«Das ändert grundsätzlich nichts daran.»
Ich hatte aus meiner Zeit bei der Polizei ein wenig Erfahrung im Umgang mit Psychotherapeuten und fragte: «Was ist das grundsätzliche Prinzip, nach welchem sie entscheiden, wie viel S ie beispielsweise der Polizei erzählen?»
«Das Wohl des Patienten. Ethisch gesehen muss ich mich immer vom Wohl des Patienten leiten lassen.»
«Und wenn der besagte Patient umgebracht worden ist und S ie vielleicht zur Auf klärung des Mordes beitragen können? Ist das dann nicht im Interesse des Patienten?»
«Schon möglich. Aber so generell kann man das nicht sagen. Es kommt auf den Einzelfall an. Sprechen wir hier rein hypothetisch oder ist einer meiner Patienten wirklich ermordet worden?»
«Wirklich.»
«Und wer?»
«Mujo Hasanović.»
«Oh mein Gott!»
«Sie erinnern sich an Mujo?», fragte ich zur Sicherheit.
«Ja, natürlich. So einen Fall vergisst man nicht so schnell.»
«Inwiefern? Oder ist das auch vertraulich?»
Sie dachte einen Moment lang nach und fragte dann: «Wie genau sind S ie in den Fall involviert?»
«Seine Ehefrau hat mich beauftragt, den oder die Täter zu finden.»
«Was ist mit der Polizei?»
«Die ermittelt auch, aber bisher erfolglos. Und die Polizei hat auch noch andere Fälle. Ich hingegen kann mich ganz auf diesen hier konzentrieren.»
«Hatten S ie denn bisher mehr Erfolg als die Polizei?»
«Ehrlich gesagt, nein.»
Sie überlegte einen Moment lang und fragte dann: «Können S ie mir sagen, wie er ermordet wurde?»
«Brutal zusammengeschlagen, mit einer Überdosis Betäubungsmittel über den Jordan befördert und dann mit Ketten und Gewichten im See versenkt.» Ich blickte ihr in die Augen und fügte hinzu: «Oh, und sein Mund war mit Angelschnur zugenäht Das ist übrigens auch vertrau lich.»
«Oh mein Gott !» Sie schlug die Hände vor den Mund und schaute mich ent setzt an.
«Eben. Und ich höre von allen Seiten, was für ein feiner Kerl Mujo Hasanović war. Finden S ie da nicht auch, dass es in seinem Interesse wäre, wenn S ie mir Auskunft geben und damit vielleicht zur Auf klä rung beitragen?»
Sie dachte eine ganze Weile darüber nach. Dann schaute sie mich an und antwortete widerwillig : «Also gut, ich werde I hnen so viel sagen, wie ich vertreten kann. Aber nur damit das klar ist, der Tod eines Patienten bedeutet nicht von vorneherein, dass er kein Anrecht mehr auf den Schutz seiner Privatsphäre hat.»
«Das ist mir bewusst. Das Problem ist nur, dass in meinem Metier nie von vorne herein klar ist, was wichtig sein könnte und was nicht.»
Sie nickte. «Ja, das verstehe ich. Ich werde I hnen sagen, was ich kann.»
Ich zückte mein Notizbuch und begann: «Also, weshalb war Mujo bei I hnen in Behandlung?»
«Er kam anfangs primär wegen seiner starken Depressionen zu mir. Wir
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